Kanzler mit Bilanz und ohne Ausblick

Als Bilanz und Ausblick reicht Bundeskanzler Schröder auch in Krisentagen ein Kurzreferat. Thema: Außenpolitische Erfolge, innenpolitische Fahnenappelle. Zu Änderungen am Sozialabbau durch Hartz IV gibt es „überhaupt keinen Anlass“, meint er

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Wenn ein Bundeskanzler zur Halbzeit einer Legislaturperiode eine große Pressekonferenz unter dem Titel „Bilanz und Ausblick“ gibt, könnte man sich vorstellen, dass sein Vortrag bei dieser Gelegenheit ein Weilchen dauert. Immerhin geht es ja darum, was der Regierungschef eines 80-Millionen-Volkes in den letzten zwei Jahren getan hat und was er in den kommenden zwei Jahren noch so alles vorhat. Im speziellen Fall des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), der gestern zu diesem Thema sprach, kam erschwerend hinzu, dass ein Großteil seiner Wähler mit seiner Politik im Moment offenkundig ganz und gar nicht einverstanden ist, wie sich gerade erst am Montag wieder auf zahlreichen Demos gegen die Reformen der Regierung zeigte. Ein langes Referat also, um den vorher selbst eingeräumten „Erklärungsbedarf“ zu decken?

Mitnichten. Schröder brauchte nur ein paar Minuten für Bilanz plus Ausblick. Die Bilanz sah so aus: Außenpolitisch sei seine Regierung sehr erfolgreich. „Deutschland ist ein überaus geachteter Partner“, stellte Schröder fest. Weltweit gebe es „viel Vertrauen in die Außen- und Sicherheitspolitik“ seiner Regierung. Dies sei unter anderem dadurch erkennbar geworden, dass er, Schröder, zu den Feierlichkeiten des Kriegsendes vor 50 Jahren in der Normandie und in Polen eingeladen worden sei. Damit sei es seiner Regierung gelungen, „ein Stück Nachkriegsgeschichte abzuschließen“.

Abgeschlossen sind fürs Erste auch die Reformen der Sozialsysteme und des Arbeitsmarkts, wie Schröder im innenpolitischen Teil seiner Kurzbilanz deutlich machte. Ankündigungen neuer Maßnahmen oder gar Reformen gab es nicht. Der „Ausblick“ Schröders bestand darin, an seine eigenen Minister, Parteifreunde, aber auch an die Opposition und die Wirtschaft zu appellieren, bei der Umsetzung dessen mitzuhelfen, was bereits beschlossen wurde. Trotz der anhaltenden Proteste gegen „Hartz IV“ werde die Zusammenlegung der Arbeits- und Sozialhilfe „planmäßig und ohne jede Veränderung umgesetzt“. Gleiches gelte für die Steuerreform. Da können SPD-Parteifreunde wie Sigmar Gabriel aus Niedersachsen und manche Grüne noch so laut nach einer Rücknahme der Spitzensteuersenkung rufen – Schröder sieht „überhaupt keinen Anlass“, darauf einzugehen und mit der CDU über Änderungen zu verhandeln. Schließlich, so der Kanzler, würden mit der Steuerreform auch Geringverdiener entlastet.

Das Motto seiner Regierung, das war aus dem Kurzvortrag schnell herauszuhören, heißt: Durchhalten und weitermachen. Auch wenn noch so viele, vor allem im Osten, auf die Straße gehen. Er habe „Verständnis“ dafür, wenn eine so fundamentale Reform wie Hartz IV auch auf Ängste treffe, sagte Schröder weiter. Zu demonstrieren sei „in einer Demokratie ein selbstverständliches Recht“. Kein Verständnis habe er jedoch dafür, dass „Teile der Union“ und die PDS in „einem merkwürdigen Verhinderungsbündnis“ aus den Protesten parteipolitisches Kapital schlagen wollten. Wer so handle und Reformen blockieren wolle, „schadet Deutschland“. Punkt.

Erst als die Journalisten immer wieder wegen Details von Hartz IV nachhakten, tat Schröder das, was er sich selbst und seinen Ministern (aller Ressorts!) aufgetragen hatte: Hartz IV erklären, erklären, erklären.

Und so verteidigte Schröder erneut die Vermögensregeln beim neuen Arbeitslosengeld II. Ein Paar könne neben Auto und Haus ein Schonvermögen von 47.500 Euro behalten, das nicht angerechnet werde. Wer noch mehr verlange, sollte stets bedenken, dass das neue Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln aufgebracht werden müsse, „von Menschen, die als Verkäuferin oder Krankenpfleger nun wahrlich nicht dicke verdienen“.

Ob sie nun aufhört, die Kritik aus den eigenen Reihen, wonach die Reformen schlecht vermittelt wurden? Dazu sagte Schröder: „Ich glaube, dass ich das mir Mögliche getan habe.“