Keine Zeit für positive Tests

Der Sauerländer Dopingfahnder Klaus Wengoborski hat schlechte Erfahrungen mit griechischen Sprintern gemacht. Auch deshalb schaut er sich die Spiele von Athen lieber am Fernseher an

„Die spielen so lange auf Zeit bis die Substanzen im Körper abgebaut sind“

VON THOMAS BESCHE

Wenn Klaus Wengoborski dieser Tage vor dem Fernseher sitzt, dann schwimmen, rudern oder laufen eine Menge alter Bekannter durchs Bild. Bei den Olympischen Spielen in Athen sind Athleten am Start, die schon häufiger vor den Augen des Dopingkontrolleurs Wasser lassen mussten. Knapp 70.000 Kilometer verfährt der freie Mitarbeiter einer Firma bei München, die sich auf die Probenentnahmen spezialisiert hat, dafür im Jahr. Gut 400 Kontrollen kommen dabei heraus, deren Ergebnisse er zu Laboren in Köln und Kreischa schickt. Wengoborskis Arbeitsplatz sind meist die Leistungszentren und Sportanlagen in Nordrhein-Westfalen. Dort taucht er unvermittelt auf und fordert die Urinproben. Unter hiesigen Sportlern ist er bekannt.

Spätestens seit Februar 1997 kennen ihn auch einige griechische Athleten. Damals stellte er sich in der Halle des Dortmunder Olympiastützpunktes der griechischen Sprinterin Ekaterini Thanou als internationaler Dopingfahnder vor. Thanou und ihr Landsmann Kostas Kenteris, 200 Meter-Olympiasieger von Sydney, spielen derzeit die Hauptrollen im aktuellen Dopingskandal der Spiele von Athen. Durch ihr Versteckspiel und den Startverzicht konnten sie sich den Kontrollen der Dopingfahnder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) entziehen.

„Sowohl Thanou als auch ihr Landsmann Charis Papdias standen auf, nahmen ihre Taschen und verließen die Halle“, erinnert sich Wengoborski. „You have a doping test and have to stay here“, forderte der Dopingkontrolleur die Athleten mit entschlossener Stimme auf, zu bleiben. Nach Thanou hatte er einen Arm ausgestreckt, um sie am Verlassen der Halle zu hindern. Der Konter von Thanous immer noch aktuellem Trainer Christos Tsekos kam. „Er packte mich an der Jacke und drückte mir die Luft ab“, schildert Wengoborski die gewalttätigen Reaktionen des Griechen. Anstalten, sich zu wehren, machte er nicht. Statt dessen ermittelte er noch am Abend das Dortmunder Hotel, in dem die Griechen wohnten. Doch die Athleten waren schon weg.

Normalerweise wird das Verweigern einer Dopingkontrolle wie eine positive Probe gewertet und hätte eine Sperre der Athleten nach sich ziehen müssen. Stattdessen wurden sie nur verwarnt und Trainer Tsekos gesperrt. „Aber das war völlig unerheblich. Denn wer kann schon kontrollieren, ob ein Trainer seine Sportler nicht trainiert“, so Wengoborski, den das Katz- und Maus-Spiel der beiden griechischen Leichtathleten in Athennicht wirklich überrascht hat. „Wäre damals von Seiten des Internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF) konsequenter gehandelt worden, wäre heute nichts passiert“, äußert Wengoborski sein Unverständnis über die lasche Handlungsweise des Dachverbandes. Ein Erklärungsansatz für ihn: 1997 fand die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Athen statt. Da kam dem IAAF ein Skandal heimischer Sportler mehr als ungelegen. Aufgrund der jetzigen Machart ist für Wengoborski klar, dass sich die Athleten erneut den Kontrollen entzogen haben. „Die spielen so lange auf Zeit, bis sie glauben, dass sich die Substanzen in ihren Körpern abgebaut haben“, meint er. In diesem Fall hätte es für Wengoborski nur eine Ergebnis geben können: Eine Sperre der Athleten. Durch ihren Startverzicht sind Kenteris und Thanou den Sanktionen zuvor gekommen.

Statt vor dem Fernsehen zu sitzen, hätte Wengoborski auch in Athen auf die Jagd nach Dopingsündern gehen können. Doch der mehrmalige Deutsche Meister mit der 4 x 400 Meter-Staffel des Wuppertaler SV in den 60er Jahren zog die Couch im heimischen Neuenrade (Sauerland) vor. „Ich war in Sydney dabei. Vor dem Fernseher kann ich alles kompakter verfolgen. Außerdem muss ich mir den möglichen Kontakt mit griechischen Athleten nicht antun.“