Schuldscheine erdrücken Schaubühne

Fast wie beim „Kaufmann von Venedig“: Schaubühne kommt von Millionendefizit nicht herunter. Theaterdirektor Jürgen Schitthelm sieht im Kulturausschuss Weiterarbeit der Bühne gefährdet. Flierl macht Vorgänger verantwortlich

Allen Berliner Theatern fehlt es an Geld. Alle Theater haben Schulden. Alle suchen nach Auswegen durch Einsparungen beim Personal und Strukturveränderungen. Aber so schlecht wie der renommierten Schaubühne am Lehniner Platz geht es keinem großen Haus in der Stadt. Mit einem Defizit von rund einer Million Euro und kaum Aussichten auf einen Schuldenabbau, sieht die Bühne darum ihre Weiterarbeit gefährdet.

Schaubühnen-Direktor Jürgen Schitthelm appellierte am Montag an die Mitglieder im Kulturausschuss, sich der Dramatik des nun schon seit Jahren existierenden hohen Defizits bewusst zu werden. „Wir brauchen den Ausgleich zum 1. Januar 2004, um weiterarbeiten zu können.“ Falls es keine finanziellen Lösungen für die Schaubühne gebe, sehe er keine Perspektive für seine künstlerische Tätigkeit. Von einer folgerichtigen Schließung des Hauses wollte der Theaterdirektor aber nicht sprechen.

Die Gründe für die derzeitige Misere sieht Schitthelm weder im aktuell künstlerischen noch im strukturellen Bereich. Die Schaubühne arbeite seit dem Neubeginn vor vier Jahren mit Sascha Waltz als Choreografin und Thomas Ostermeier als Regisseur erfolgreich und ohne aufgeblähte Ensembles. Die Tanzkompanie mit rund 120 Auftritten pro Jahr und Ostermeiers modernes Theaterkonzept samt den Zusatzprogrammen wie etwa dem „Streitraum“ hätten dem Haus wieder zum Erfolg verholfen. Schitthelm betonte auch, dass die anvisierten Haushaltsauflagen für die kommende Spielzeit eingehalten würden.

Allein das strukturelle Defizit aus der Vergangenheit erdrückt nach Ansicht Schitthelms die Bühne. „Wir sind in den vier Jahren weiter gekommen, als wir erhofft und geplant hatten, auch wenn wir nicht alles erreicht haben.“ Anfangs sei das Theater davon ausgegangen, das Defizit herunterfahren zu können. Es müssten nun neue Wege gefunden werden, wie der Schuldenabbau reduziert werden könne. Schitthelm: „Auf keinen Fall werden wir einen Schwenk in die Vergangenheit machen, das wäre künstlerisch und kulturpolitisch fatal.“

Das früher von Peter Stein geleitete Theater erhält zur Zeit Zuschüsse aus der Landeskasse in Höhe 11,8 Millionen Euro. Am Montag waren im Kulturausschuss – im Rahmen der Etatberatungen für den Doppelhaushalt 2004/2005 – die Intendanten der Berliner Theaterhäuser erschienen, um über ihre jeweilige finanzielle und künstlerische Lage zu berichten. Vergleichbare dramatische Ausmaße wie bei der Berliner Schaubühne räumten sie aber nicht ein.

Kultursenator Thomas Flierl (PDS) sagte in der Sitzung, die strukturelle Unterfinanzierung der Berliner Schaubühne sei ein Erbe früherer Kultursenatoren. „Wir müssen das jetzt in gemeinsamer Anstrengung beheben, das ist ein hartes Stück Arbeit.“ Klar sei, dass der Kulturetat wohl keinen zusätzlichen Spielraum für die Bühne zur Verfügung habe. Darum müssten der Haushalt und die Strukturen der Schaubühne „transparent“ gemacht und in jeglicher Hinsicht geprüft werden, sagte Flierl.

ROLF LAUTENSCHLÄGER