Village Voice
: Nikki Sudden hat sich auf seiner Schatzinsel umgeschaut und wieder mal die Rolling Stones gefunden

Nikki Sudden: „Treasure Island“ (Rookwood / Alive)

Genau so ist es, Schwarzer Hund: Suchen! Darum geht es. „Das Barrensilber liegt im nördlichen Versteck; man findet es am Fuße des Osthügels, zehn Faden südlich von der schwarzen Klippe, mit dem Gesicht ihr zugewandt. Die Waffen sind leicht zu finden, im Sandhügel, Nordspitze der nördlichen Einfahrt, Peilung O und ein Viertel N.“ So der Lageplan, nach Robert Louis Stevenson in „Die Schatzinsel“.

It’s only Rock ’n’ Roll. Also eine der schwierigeren Übungen, und nur weil einer schon so lange mit dabei ist, gibt das noch keine Garantie. Aber er hat es immer versucht, Nikki Sudden, der Boheme-Rocker, der Rotweintrinker, der Melancholiker, der nach seiner Schatzinsel sucht, der „Treasure Island“ (der Titel seines neuen Albums). Liebevoll ist sie hinten auf dem Cover skizziert, mit „The Devils Mount“ und dem „Rough Point“, und für das Booklet posieren Nikki Sudden und die ihn umgebenden Last Bandits mit mächtigen Korsarenhüten und in Tüchern gehüllt. Unterwegs zum Sehnsuchtsort, wo sich noch Abenteuer entscheiden können. Den einen mag dabei dieser düstere Männergesang von den „fünfzehn Mann auf des Toten Truh / jo, ho, ho und ’ne Buddel voll Rum“ in den Ohren dröhnen, und Nikki Sudden vermutet den geheimen Ort der Beschwörung halt bei den Rolling Stones, denen er sich auf „Treasure Island“ tatsächlich noch einmal ein weiteres Stückchen annähert, um sie sich endlich einzuverleiben.

Denn unter den mitmusizierenden Gästen findet sich auch Ian McLagan, der ehemalige Organist der Faces, die damals immerhin schon mal die zweitbesten Stones waren, und dann ist auf „Treasure Island“ bei einigen Titeln auch Mick Taylor dabei, einer vom echten Fleische der Rolling Stones (selbst wenn der Gitarrist bereits Anfang der 70er wieder ausgestiegen ist). Womit die Lieder Suddens, die tatsächlich gut in die Lücke zwischen „Beggars Banquet“ und „Let it Bleed“ passen würden, zumindest irgendwie geweiht sind. Glücklicherweise aber bleibt Nikki Sudden trotz aller Anverwandlungen Nikki Sudden genug, mit seiner gepressten Stimme, dass diese Verneigungen vor dem gewünschten großen Bruder immer seine ihm ganz eigene Sache sind. Die Suche nach dem Schatz ist nicht der Schatz selbst.

Auf „Treasure Island“ gibt es keine wirklichen Durchhänger und viele feine Songs, in einem klassischen Songwriting, das sich in gelassenem Tempo durch Nachtstimmungen hangelt, wie das auch ein Bob Dylan oder Nick Cave kaum anders macht. Ein paar Boogierocker. Etwas Blues. Dagegen mag sich der fiebrige Krach Suddens mit den Swell Maps, mit denen er vor einem Vierteljahrhundert angefangen hatte, als modernistisches Manifest anhören. Dem allerdings auch genau seine Entstehungszeit eingeschrieben ist, während sich Nikki Sudden längst in einem zeitlosen Terrain bewegt. Irgendwo leuchtet darüber als Verheißung „Klassizität“. Ein gelobtes Land. Man kann es suchen. Links geht es am eigenen Kinderzimmer vorbei und raus ins Freie, wo die Zeit mal stillstehen kann. Einen Weg, den man durchaus mit Gewinn gehen kann. THOMAS MAUCH