Radikale Überwindungen der Leere

Hans Scharouns Ende: Eine Ausstellung von Architekturstudenten der Universität der Künste (UdK) im Foyer des Kulturforums über dasselbe zeigt, wo es bei denen langgeht – in die Höhe, in die Länge und in die Breite. Aber nicht zurück in die Geschichte

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der Zeitpunkt für die Ausstellung ist nicht schlecht gewählt. Die Stelle für die Schau direkt vor Ort ebenfalls nicht. Warum, so haben sich zehn Architekturstudenten der Universität der Künste (UdK) gedacht, nehmen wir den MoMA-Hype nicht zum Anlass, unsere Vorschläge zur Weiterentwicklung des Berliner Kulturforums zu präsentieren? Genug Aufmerksamkeit von den tagtäglich direkt betroffenen Museumsbesuchern, die vor der Nationalgalerie die unwirtliche Brache erleben, wird sich schon finden. Und hat nicht die Bauverwaltung jüngst angeregt, die Zukunft des Kulturforums müsse wieder diskutiert und der Ort zwischen Staatsbibliothek und Philharmonie neu gestaltet werden? Gesagt, getan.

Vom gestrigen Donnerstag bis zum 5. September sind die zehn Entwürfe unter dem Titel „Kulturforum – Pläne für eine zweite Museumsinsel“ der angehenden UdK-Architekten in der Eingangshalle des Kulturforums zu sehen. Es sind keine großen Pläne, die gezeichnet wurden, eher Ideen und Konzepte für eine Umgestaltung des Kulturforums – aber sie nehmen das Problem ernst, das draußen vor der Tür sichtbar ist: die verschwundene Geschichte des Ortes, den weiten zugigen Raum, die riesigen unzusammenhängenden Architekturen Hans Scharouns, Mies van der Rohes aus den 1960er- und 70er-Jahren oder die der Architekten Hilmer und Sattler sowie die Freiflächen, die zu Autostellflächen umgenutzt wurden.

Es fehle der „Kommunikationsraum“, der stadträumliche Zusammenhang zwischen Bauten und Freiflächen, analysiert etwa die Studentin Diana Saric das Defizit. Saric selbst antwortet mit ihren Entwürfen auf diese existierende Kommunikationslosigkeit – sprich städtebauliche Leere – mit „objekthafter Präsenz“ neuer Bauten, die sich in die Freiräume drängen und verwirft Scharouns – antispeersche – Idee der Stadtlandschaft mit frei darin platzierten Gebäuden. Bei ihr entstehen ein neues Museum der Moderne anstelle der schräg ansteigenden Piazetta und weitere „Lückenfüller“ bis hinüber zum Tiergarten.

Die Überwindung der Leere mit einer radikalen Dichte und die Gestaltung der Freiräume ist das große Thema der Ausstellung, wobei beispielsweise die Autoren Tilman Hecker und Florian Dreher mit einer kompakten Blockstruktur für ein neues Viertel vom Kulturforum bis hinüber zum Tiergarten plädieren.

Als Antwort auf die Architekturriesen Scharoun und Mies legt Claudia Keichel „Wolkenbügel“, das heißt große Riegel- und Brückenbauten, zwischen die Lücken. Schließlich grüßen auch Hochhäuser von den Schauwänden. Hinter neuen Museumsbauten zwischen Nationalgalerie und Philharmonie ragen drei Türme als Markenzeichen am Tiergartenrand in die Höhe und setzen die Skyline vom Potsdamer Platz fort.

Neu an den Vorstellungen ist nicht nur die Revision der bisherigen Pläne im Umgang mit dem Kulturforum – nämlich die Achtung des Scharoun-Konzepts –, sondern auch das klare Bekenntnis, dass nur mit neuen architektonischen Strukturen, Räumen und vielfältigen Nutzungen dort ein modernes Gegengewicht zur Mitte geschaffen werden kann. Die Idee ist, die jahrelange Morphologie des Kulturforums in Teilen ganz umzuschreiben.

An dem Ort, an dem Architekten, Bauverwaltungen, Nutzer und Denkmalexperten seit Jahrzehnten schon herumdoktern ohne eine klare Konzeption, ein Ergebnis präsentieren zu können, wirkt dies wie eine Provokation.

Sie ist zugleich der vielleicht ernüchternde Hinweis, dass die von der Bauverwaltung unter Baudirektor Hans Stimmann beschworene und immer wieder verworfene, jedenfalls chaotische Strategie, die hier und dort ein Häuschen, eine Arkade, ein Türmchen, eine Straße oder einen Platzabriss, die Absage an Scharoun oder den Weiterbau im Sinne Scharouns vorsah, für das Forum nicht ausreicht.

Die jungen Planer fordern deshalb zu Recht mehr Mut. Stimmann hat das gestern auch gemerkt, sprach er doch den Vorschlägen – statt sich darauf einzulassen – jede Ernsthaftigkleit ab. Dies könne allein die Verwaltung – was sie seit über 15 Jahren bekanntlich tut.