feri ultra: vom raf-pamphlet ins betreute schreiben von WIGLAF DROSTE
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Am 12. August machte sich der Goldkettchenschriftsteller Feridun Zaimoglu in der taz für die Kurz-und-Kleinschreibung halbstark. Er alliterierte von der „basisdemokratie der buchstaben“, behauptete, das Weglassen von Großbuchstaben führe „einfach nur dazu, dass man sich stärker auf den inhalt konzentriert“ und wollte auch auf den plumpesten Griff in die Trickkiste der Siebzigerjahre nicht verzichten: „was mir an der radikalen kleinschreibung gefällt, ist ihr pamphletartiger charakter, wie damals bei der raf.“

Drei Tage nach diesem bizepsreichen Auftritt konnte man Zaimoglus Beschreibung der Olympia-Eröffnungsveranstaltung aus Griechenland in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung lesen, selbstverständlich in Großschreibung. Wieder ging es nicht ohne Aufpumpen ab. Zaimoglu schrieb, vom Fernsehen seiner Eltern aus: „Der Moderator schickt den geneigten türkischen Zuschauern zum vierten Mal herzliche Grüße, direkt aus dem Athener Olympiastadion. Mein Vater wünscht ihm eine ganze Al-Qaida-Brigade an den Hals.“ Zaimoglus Hoffnung, die Fadheit seiner Prosa mit ein paar Terror-Applikationen kaschieren zu können, erfüllt sich auch diesmal nicht.

Erst im Juli hatte der 40-Jährige im Kultur Spiegel berichtet, was ihn richtig bewegt: Wie er sich für das Sylter Inselschreiber-Stipendium bewarb, wie er den Job bekam – und wie gut es ihm gefällt, vom Literaturbetrieb ausgehalten zu werden. „Kein Pflichtprogramm, gesicherte finanzielle Verhältnisse, wenigstens für eine Weile, viele gute Ideen und frische Luft – was kann da noch einen Schriftsteller davon abhalten, seiner Arbeit nachzugehen?“ Zieht man die halluzinierten „guten Ideen“ ab, bleibt eine landluftmiefige Vorstellung von geglückter Kinderlandverschickung übrig.

Der Traum vom betuttelten, alimentierten Künstler ist nichts Neues, und die öffentliche Hand füttert ja immer schon Fittis durch, die sich das gefallen lassen. Erstaunlich ist eher der schwärmerische, euphorische Tonfall Zaimoglus, der, obwohl seinem Wesen nach ein Stück Rasierseife, im Literaturbetrieb sonst chronisch den Wilden Mann markiert – was ihm unter anderem den Spottnamen Feri Ultra eintrug.

„Ich liebe den Rummel des Betriebs“, bekennt Zaimoglu – man hört das Geräusch des Händereibens und sieht das ölige Grienen beim Mitmischen: Wozu ein unabhängiger Schriftsteller sein, wo doch der Geschäftsgang lockt, an dem man so schön partizipieren kann. Auf ein Nüttchen mehr oder weniger im Kulturbetrieb ist gepfiffen, das muss außerhalb von Medien wie Bunte oder Men’s Beards nicht in den Rang einer Nachricht erhoben werden.

Dass ein mit Schaum aller gängigen Art um sich schlagender Mann, der ein bisschen RAF-Koketterie so trägt wie andere ein Herrenhandtäschchen, ganz leicht und ganz billig zu haben ist, soll bei aller Erwartbarkeit hiermit aber doch einmal vermeldet sein – gleichsam auch als Trost und Fingerzeig für all die vielen anderen Modeschreiber, denen ein Leben als subventionierter Arschkeks verlockend scheint. Feridun Zaimoglu hat seinen Platz gefunden: Er ist jetzt im betreuten Schreiben, Vollpension inklusive. Es sei ihm von ganzem Herzen gegönnt.