Liebe und/oder Hass

Stimmungsschwankende Verlässlichkeit: Der „deutsche Indie-Papst“ Philip Boa und sein „Voodooclub“ stellen in der Markthalle ihr neues Album „Diamonds Fall“ vor

Die Reaktion auf Dinge und Menschen, die man nicht versteht, ist nicht selten Liebe oder Hass. Oder Liebe und Hass. So richtig verstanden hat man Philip Boa nie. Und geliebt hat ihn zumindest die Presse auch nie uneingeschränkt. Zickig, verschroben, größenwahnsinnig, launenhaft oder wenigstens schwierig sind die Adjektive, mit denen man das andererseits in den 80ern zum „deutschen Indie-Papst“ ernannte „sympathische Arschloch“ (Musikexpress) bedacht hat.

Denn er war eben auch mit seinem „Voodoclub“ neben den „Einstürzenden Neubauten“ der einzige deutsche Indie-Act, der in den späten 80ern ernsthaft international Aufmerksamkeit erregt hat. Trotzdem oder gerade weil er Interviews abgebrochen hat, wenn ihm sichtlich zu langweilig war; man nie genau wusste, ob er versuchte, ironisch zu sein; man genervt und fasziniert war von den narzisstischen Posen der „Diva“, die wie jeder ausreichend unverstandene sensible Künstler eben auch gern mal das ganze Publikum beschimpft.

Vor allem aber natürlich wurde Boa seiner Musik wegen geschätzt. Seit Mitte der 80er hat er gemeinsam mit seiner kongenialen Gefährtin Pia Lund und seiner Band „Philip Boa & The Voodooclub“ zehn Jahre lang einen Indie-Hit an den anderen gereiht, immer auf ein wenig anderen Wegen im beständig neu kartierten Gebiet zwischen melancholisch-melodiösem Pop, krachigem Punk und experimentierender Avantgarde unterwegs. 1995 dann trennten sich Boa und Lund für einige Zeit, Boa machte ein wenig in Metal, schließlich stieß aber auch die Ex-Lebensgefährtin wieder dazu.

Vor zwei Wochen ist bei „Rough Trade“ das 17. „Voodooclub“-Album „Diamonds Fall“ erschienen. Produziert von Tobias Siebert von den Berliner Indierockern „Klez.e“, kann man darauf den wohl am ausgeklügeltsten geschliffenen Boa-Sound der 25-jährigen Bandgeschichte hören, ein echter fallender Diamant. Nicht zuletzt durch die Mitarbeit von „Can“-Drummer Jaki Liebezeit – ein Kindheitstraum Boas – geht „Diamonds Fall“ dabei wieder neue Wege und liefert dennoch Verlässliches. Wer noch auf der Suche nach dem richtigen melancholischen Popsong zum Ausklang des Winters ist, wird hier wieder schnell fündig.

Morgen Abend stellen „Philip Boa & The Voodooclub“ das Album in der Markthalle vor. Aber Vorsicht, man hüte den Mund. In Köln hat der liebenswürdige Exzentriker einst ein Konzert ganz schnell wieder abgebrochen – weil ihn jemand in der ersten Reihe als „alten Mann“ bezeichnet hat. ROBERT MATTHIES

Fr, 6. 3., 21 Uhr, Markthalle, Klosterwall 11