GEFANGENENAUSTAUSCH IN KOLUMBIEN KÖNNTE WEG ZUM FRIEDEN BAHNEN
: Uribe muss nachlegen

Es bewegt sich etwas in Kolumbien. Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt ist Präsident Álvaro Uribe erstmals auf die Farc-Guerilla zugegangen – und das auf dem Gebiet, das Farc-Chef Manuel Marulanda am meisten am Herzen liegt: dem eines möglichen Gefangenenaustauschs. Die neue Flexibilität Uribes ist zu begrüßen, mittelfristig könnte sie den Weg zu Friedensgesprächen mit der mächtigsten Rebellengruppe des Landes ebnen.

Weitaus schwerer wiegen jedoch die Vorbehalte, mit denen das Angebot des Präsidenten auch in Kolumbien aufgenommen wurde. Denn weder die geschickte Informationspolitik, die die angeblichen Erfolge des Hardliners im Kampf gegen Drogenhandel und „Terrorismus“ betont, noch seine hohen Popularitätswerte in Umfragen können über Uribes magere innenpolitische Erfolge hinwegtäuschen. Seine Avancen gegenüber den rechtsextremen und mit dem Drogenhandel verquickten Paramilitärs werden nicht nur in Washington, sondern auch von vielen Kolumbianern misstrauisch verfolgt, denn zu einem Rückgang der Gewalt haben sie bislang nicht beigetragen. Über die Armee-Offensive „Plan Patriota“, mit der er die Farc im Süden des Landes unter Druck setzt, gibt es kaum verlässliche Informationen. Fest steht nur, dass auch Uribe nicht an Verhandlungen mit den Farc vorbeikommen wird.

Zunächst jedoch strebt er jedoch seine Wiederwahl 2006 an. Beim Referendum im vergangenen Oktober fiel die dafür erforderliche Verfassungsänderung durch, und auch die Mehrheit der Parlamentarier hat der Präsident noch nicht von seinem Projekt überzeugen können. Im Gegenteil: Gerade im Kongress zeichnet sich eine Polarisierung ab wie schon seit Jahren nicht mehr, viele bürgerliche Politiker wandern ins Anti-Uribe-Lager ab.

Darum ist es unwahrscheinlich, dass die Farc ihrem Widersacher gerade jetzt entgegenkommen – jedenfalls, solange der Staatschef an seinem Kriegskurs festhält. Friedensverhandlungen, so haben die Rebellen kürzlich wieder betont, wollen sie erst mit seinem Nachfolger aufnehmen. Uribe muss nachlegen. GERHARD DILGER