„Mit der Stasi aktiv nichts zu tun“

Trotz neuer Vorwürfe will der sächsische PDS-Spitzenkandidat Peter Porsch weiter Wahlkampf machen. Sein Anwalt bezweifelt Glaubwürdigkeit des Belastungsmaterials

DRESDEN taz ■ Die entscheidenden Sätze kamen zögerlich und erst nach bohrenden Fragen der Presse: „Ich habe mit der Stasi aktiv nichts zu tun gehabt und nie mit ‚IM Christoph‘ unterschrieben.“ Der sächsische PDS-Spitzenkandidat und langjährige Fraktionsvorsitzende im Landtag Professor Peter Porsch will sich in der DDR „die ganze Zeit von der Stasi unbehelligt“ gefühlt haben. Als überzeugter Sozialist habe er kein Misstrauen gegen dieses Land empfunden und „über vieles nicht nachgedacht“.

Flankiert von seinen Anwälten, darunter der frühere DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel, nahm Porsch gestern zum zweiten Mal zu den Vorwürfen einer Informantentätigkeit für das frühere Staatssicherheitsministerium Stellung. Die sind schärfer geworden, nachdem die Birthler-Behörde offenbar portionsweise neues Belastungsmaterial herausgegeben hat. So berichten die Zeitungen Welt und Leipziger Volkszeitung übereinstimmend von einem Telegramm, in dem der Klarname Porsch auftaucht. Er sei bei der für Auslandsspionage zuständigen Hauptverwaltung Aufklärung erfasst, heißt es darin. Die Leipziger MfS-Bezirksverwaltung hoffte, ihn zur Beobachtung einer Lesung am Rande der Leipziger Buchmesse 1984 und des westdeutschen Journalisten Karl Corino einsetzen zu können.

Der gebürtige Wiener Porsch hatte 1966 bei einer sportlichen Begegnung in der DDR eine junge Frau kennen gelernt, mit der er 1967 ein Kind hatte. Nach 6 Jahren Wartezeit konnte er sie 1973 heiraten und in die DDR übersiedeln.

Anwalt Diestel hat jetzt Akteneinsicht für Peter Porsch und seine Frau Regine beantragt. Er und der Medienrechtler Sven Krüger wollten aber wegen des Zeitdrucks im Wahlkampf das Ergebnis nicht abwarten. Nach ihren Recherchen sollen Porsch und seine Familie in Leipzig ohne ihr Wissen abgeschöpft worden sein. Dafür hat sich Diestel eidesstattliche Erklärungen von in Frage kommenden Stasi-Mitarbeitern beschafft. Sie hätten unter Legenden Porsch kontaktiert, getarnt unter anderem als Mitarbeiter der Liga für Völkerfreundschaft oder des Instituts für Politikwissenschaften. Porsch selbst will „ohne Argwohn mit Vertretern der Obrigkeit gesprochen haben“. So räumte er erstmals ein Gespräch mit einem Kripo-Beamten am Tag nach der fraglichen Lesung ein, zu dem er in die Leipziger Universität bestellt worden war. Er habe zu jedermann frei und offen geredet. Bei seiner DDR-Übersiedlung will er nur Kontakt mit dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen gehabt haben, das dem promovierten Germanisten eine Stelle in Leipzig anbot. In Übereinstimmung mit der Rechtsposition seiner Landtagsfraktion hatte Porsch 1990 allerdings die von allen Hochschulangehörigen verlangte Stasi-Erklärung verweigert. Er ist bis heute C3-Professor alten Rechts.

Anwalt Diestel bezweifelte die Glaubwürdigkeit des jetzt über die jahrelang in den USA schlummernden so genannten Rosenholz-Dateien bekannt gewordenen Materials. Den Fall Porsch sieht er als eine Art Präzedenzfall in dieser Frage an, den er deshalb gern übernommen habe. „Geheimdienste schwindeln in der ganzen Welt!“ Diestel warb einesteils um Verständnis für die DDR-Gepflogenheiten, die Mentalität und die linke Weltanschauung Porschs und fand nette Worte für die Journalisten. „Peter Porsch hat ohne Argwohn das politische System der DDR geliebt.“ Andererseits überzieht seine Kanzlei derzeit einige große Tageszeitungen mit Unterlassungsforderungen hinsichtlich der Porsch-Berichterstattung.

Der Verdächtigte sieht seinen Landtagswahlkampf nicht beeinträchtigt, aus dem seine Partei am 19. September voraussichtlich als Sieger hervorgehen dürfte. Allerdings fragen sich Beobachter und auch PDS-Genossen, ob das Bild des brillanten Dialektikers und wachen Zeitgenossen nicht schon Schaden genommen hat, wenn Porsch jetzt so viel Naivität gegenüber den Organen der DDR-Staatsmacht offenbart.

MICHAEL BARTSCH

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