Neonazis unter Terrorverdacht

Der Brandenburger Generalstaatsanwalt ermittelt gegen eine Jugendgruppe, die von Ausländern betriebene Imbisse angezündet hat. Der Verdacht: Bildung einer terroristischen Vereinigung

BERLIN taz ■ Der Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg geht im Kampf gegen Rechtsextremismus neue Wege. Er hat jetzt Ermittlungen wegen des Verdachts der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ gegen elf Jugendliche und junge Erwachsene aufgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, zwischen August 2003 und Mai 2004 neun türkische und Asia-Imbisse im Berlin-nahen Kreis Havelland angezündet zu haben. Verletzt wurde dabei niemand, es entstand jedoch hoher Sachschaden: 770.000 Euro.

Die mutmaßlichen Täter, die zwischen 15 und 20 Jahre alt und zum Teil Schüler sind, hatten sich als Wehrsportgruppe „Freikorps“ organisiert mit dem Ziel, Ausländer zu vertreiben. Alle stammen aus der Region westlich Berlins und kommen aus geordneten Familienverhältnissen. Ihr Anführer, der 19-jährige Christopher H., hat in diesem Sommer sein Abitur abgelegt. Er sitzt seit Anfang Juli in Untersuchungshaft.

Nachdem sieben Mitglieder der Gruppe Anfang Juli verhaftet worden waren, hatte die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen. Sie bestätigte zwar den Anfangsverdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung, stufte die Gruppe jedoch als „von minderer Bedeutung“ ein. Daraufhin hat nun die Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg das Ermittlungsverfahren eingeleitet. In dem Bundesland, das mit seinem rechten Ruf zu kämpfen hat, handelt es sich um den ersten derartigen Fall.

Der Verein Opferperspektive, der Opfer fremdenfeindlicher Gewalt berät, fordert gegenüber der taz als Konsequenz aus dem Fall einen Fonds, der die Geschädigten unterstützt. Die Imbissbesitzer, deren Existenz zerstört wurde, seien alle nicht versichert gewesen. Unverschuldet, denn in Brandenburg findet sich wegen der häufigen Übergriffe keine Versicherung, die mit den Betreibern Verträge abschließt. Der Verein fordert das Land auf, so ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzen.

Von Ausländern betriebene Imbisse sind seit Jahren Ziel rechtsextremistischer Angriffe. 2003 waren es insgesamt 13 Brandanschläge. Der letzte geschah Mitte Juli. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) betonte gestern, rechtsextreme Gewalt bilde noch immer die größte Herausforderung. Im vergangenen Jahr wurden in dem Bundesland 982 derartige Straftaten registriert. 2002 waren es noch 744. AM

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