Glaube & Pracht

Glaubensspaltung und Kleinstaaterei sind die Themen zweier großer Landesausstellungen in diesem Jahr. Im sächsischen Torgau an der Elbe, auf halber Strecke zwischen Dresden und Wittenberg gelegen, geht es noch bis zum 10. Oktober um „Glaube & Macht. Sachsen im Europa der Reformationszeit“. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet fünf Euro, der zweibändige Katalog vierzig Euro.

„Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen“ lautet der Titel im thüringischen Sondershausen am Südrand des Harzes. Geöffnet ist dort täglich von 10 bis 20 Uhr, montags erst ab 12 Uhr. Der Eintritt kostet ebenfalls fünf Euro, der dreibändige Katalog allerdings 55 Euro. Beide Städte sind weder an eine Autobahn noch an den Fernverkehr der Bahn angebunden.

Von der Reformation sprach der Geschichtsforscher Leopold von Ranke schon im 19. Jahrhundert als „unserem wichtigsten vaterländischen Ereignis“, und heute sieht der Historiker Heinrich August Winkler darin einen entscheidenden Schritt auf jenem Sonderweg der Deutschen, der vierhundert Jahre später in Krieg und Vernichtung münden sollte: „In Luthers religiöser Innerlichkeit lag ein Moment, das ihn vom Westen trennte und mit dem Osten verband.“

Es ist vorwiegend die Geschichte einer einzigen Familie, die in den beiden Ausstellungen das Schicksal des ganzen Landes spiegelt. Die Wettiner, seit dem 11. Jahrhundert Markgrafen von Meißen und später Herzöge von Sachsen, protegierten Martin Luther und ermöglichten die Reformation. Sie waren es aber auch, die im 17. und 18. Jahrhundert mit wiederholten Landesteilungen und bis zu zehn parallel regierenden Linien die deutsche Kleinstaaterei auf einen unrühmlichen Höhepunkt trieben.

Die Geschichte dieser Teilungen begann 1485, als die verfeindeten Brüder Ernst und Albrecht von Sachsen beschlossen, sich zur Vermeidung von Mord und Totschlag fortan aus dem Weg zu gehen. Albrecht und seine Nachkommen, die Albertiner, zogen zunächst den Kürzeren: Sie mussten sich mit Meißen und Umgebung, samt dem damals noch unbedeutenden Dresden, zufrieden geben. Ernst und seine Nachkommen, die Ernestiner, erhielten dagegen nicht nur das spätere Thüringen, sondern auch den Titel des Kurfürsten und zwei der wichtigsten sächsischen Städte, Wittenberg und Torgau.

Der Ernestiner Friedrich der Weise, jüngst im Luther-Film dargestellt von Peter Ustinov, stand im Zentrum der ersten medialen Inszenierung der Neuzeit. Luthers Schriften erreichten schon in den ersten Jahren eine Gesamtauflage von einer halben Million Exemplaren.

Wie heute das Fernsehen, so prägten damals die Bilder des Wittenberger Hofmalers Lucas Cranach das Bild von der Reformation. Seine Bilder dokumentierten den Machtanspruch der Ernestiner – etwa jene prächtigen Jagdszenen mit Kurfürst und Kaiser vor dem Torgauer Schloss, die der Madrider Prado jetzt für einen Sommer an den Ursprungsort verlieh. Allein ihretwegen lohnt sich der Besuch in Torgau.

Im Schmalkaldischen Krieg unterlagen die Ernestiner 1547 den Truppen des Kaisers, die sächsische Kurwürde samt der Stadt Wittenberg ging auf die Dresdener Vettern über. Fortan blieben die Ernestiner auf das Gebiet des heutigen Thüringen beschränkt, in der großen Reichspolitik spielten sie keine Rolle mehr. RAB