Wie sich die SPD Hartz IV erklärt

In Dortmund will der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering seiner Partei klar machen, warum die Hartz-Reformen Sinn machen. Für Diskussionen mit Kritikern steht er allerdings nicht zur Verfügung

„Wir sollten nicht von Ein-Euro-Jobs, sondern von einem Pluslohn sprechen“

AUS DORTMUND KLAUS JANSEN

Es herrscht Arbeitsatmosphäre. Der Mohnkuchen im Flur bleibt den ganzen Nachmittag nahezu unangetastet. Man hat den Silbersaal der Dortmunder Westfalenhalle gewählt, nicht den Goldsaal, also sitzen Genossen und Presse dicht gedrängt. Dann kommt Franz Müntefering. „Ich will hier erläutern, nicht agitieren“, sagt der SPD-Bundesvorsitzende. Er will seiner Basis erläutern warum sie sein muss, die Hartz-IV Reform. „Aufbruch am Arbeitsmarkt“, ist der Titel der Veranstaltung, zu der sechs SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Ruhrgebiet eingeladen haben.

Nicht alle haben die Ehre, den Sinn der Reformen erläutert zu bekommen: Vor der Tür steht ein kleines Häufchen Demonstranten, die keinen Einlass zum Silbersaal bekommen haben. Es sind die üblichen Dortmunder Verdächtigen: Martin Pausch ist dabei, der Organisator der Montagsdemos, Ingo Meyer von der Wahlalternative, Helmut Eigen vom Sozialforum. Es sind wenige, zu wenig, um alle Transparente zu tragen – dabei ist die Fahne der Wahlalternative noch nicht einmal fertig. Sie wollten mit Müntefering diskutieren. Müntefering will das nicht. „Ich habe keine Lust, mich auf eine Bühne zu stellen und mich ausbuhen und mit Eiern beschmeißen zu lassen“, sagt er in Bezug auf die Montagsdemos im Osten. Viele Demonstranten wollen die Wahrheit über Hartz IV nicht wissen, findet Müntefering, sie seien aufgehetzt von PDS und CDU, zudem desinformiert durch die Bild-Zeitung.

Den Menschen im Saal, vorwiegend SPD-Mitglieder, denen will Müntefering das Gesetz erklären, „das wir Hartz IV nennen“. Müntefering umschreibt den Namen, spricht ihn nur einmal aus – der Begriff erscheint ihm wohl verbrannt. Ein Kompromiss mit der Union sei das Gesetz gewesen, natürlich schmecke das nicht jedem, erklärt er. Trotzdem sei es alternativlos: „Das ist die einzige Chance, die wir haben“, sagt er fast beschwörend. Zuverdienstmöglichkeiten, Schonvermögen, das alles sei gerecht, sagt er. Der Applaus bleibt verhalten. Dann verteilt Müntefering Streicheleinheiten: An Dortmunds SPD-Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer, den Vorsitzenden des NRW-Städtetags, indem er von den den 2,5 Milliarden Euro spricht, die die Kommunen durch die Reform sparen sollen. An den SPD-Gewerkschaftsflügel, indem er eine Debatte über gesetzliche Mindestlöhne in einigen Bereichen ankündigt, man wolle keine Niedriglohnstrategie.

Der Gewerkschaftsflügel, in der SPD-Herzkammer Dortmund traditionell stark, braucht das. Im Plenum kursieren interne DGB-Papiere, die die Veranstaltungsteilnehmer dazu auffordern, Hartz IV auf der Veranstaltung anzugreifen, fundiert, aber deutlich. In der Diskussionsrunde werden dann Fragen laut: „Kann es wirklich sein, dass die Leute alle nur verhetzt und schlecht informiert sind?“, fragt ein Bochumer Genosse. Ein anderer spricht von „Sozialabbau“.

Müntefering stellt sich der Diskussion nicht: Er verlässt zwischenzeitlich den Saal. Dafür kontert Gerhard Langemeyer, wütend: „Arbeitslosengeld-II-Empfänger dürfen Auto, Schonvermögen und Haus behalten, sie sind renten- und krankenversichert – wie kann man da von Sozialabbau sprechen?“ Langemeyer ist im Wahlkampf, er hat seinen Text gelernt. Eine Umzugswelle wegen Hartz werde es in Dortmund nicht geben, auch die Umstellung der Administration komme gut voran, sagt er. Und neue Arbeitsgelegenheiten werde es ebenfalls geben: Bei der Pflege von Parkanlagen oder im Sicherheitsdienst, zum Beispiel. Sein Kollege Michael Makiolla, Kreisdirektor von Unna, ist da noch kreativer: Arbeitslose sollen dort zukünftig an neuen Radstationen Räder bewachen und putzen. Dass manche das Zwangsarbeit und Ein-Euro-Jobs nennen, kann er nicht verstehen – schließlich würde mancher ALG-II-Bezieher zukünftig mehr verdienen als regulär Beschäftigte. Eine vierköpfige Familie käme auf bis zu 1.750 Euro netto. So müsse man das den Leuten erklären, findet Makiolla. Und von Luidger Wolterhoff, dem Leiter der Bochumer Arbeitsagentur, kommt kommunikative Hilfe: „Wir sollten nicht von Ein-Euro-Jobs, sondern von einem Pluslohn sprechen,“ schlägt er vor.

Neue Label, gemeinsame Sprachregelungen – zumindest das ist der Erfolg der Dortmunder Infoveranstaltung. Für viele Genossen ist das zu wenig: „Liebe Freunde, der Wald ist verdammt dunkel, und das Pfeifen ist verdammt laut“, sagt eine. Doch Franz Müntefering stört das nicht weiter, er hat seine Mission für den Tag erfüllt: „Ein bisschen rumgemuffelt wird doch immer. Das bin ich gewöhnt“, sagt er hinterher.