Wenn sich gute Nachbarn vom Grillen belästigt fühlen

Streithaus in St. Georg bietet Mediation für Nachbarschaftskonflikte an. 10 Menschen aus dem Stadtteil wurden zu „Konfliktlotsen“ qualifiziert

„Es muss da nicht der große Frieden enstehen“

Ein heißer Sommer bringt auch Konflikte. „Es ist warm, die Menschen leben mehr nach draußen hin, hören bei offenem Fenster Musik oder grillen“, erzählt Dieter Lünse vom „Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation“, kurz IKM. Doch wenn der Geruch von Gebratenen missfällt oder die CD des Nachbarn nicht gerade den eigenen Musikgeschmack trifft, kann das Ärger erzeugen.

Das Thema Lärm ziehe sich bei Nachbarschaftskonflikten durch alle Jahreszeiten. Auch um Schmutz im Treppenhaus, Baulärm bei Renovierungen oder Nutzung der Allgemeinflächen kann es Streit geben oder einfach nur um „Mißverständnisse und nicht voneinander wissen“. Im Hamburger Stadtteil St. Georg hat das IKM-Institut, das gewöhnlich Anwälte und Pädagogen in der Mediationstechnik ausbildet, nun ein einmaliges Projekt gestartet. In einem „Streithaus“ an der Stadtteilschule Erich-Wolgast wird von ehrenamtlichen Kräften Mediation für Nachbarschaftkonflikte angeboten. Dafür wurden im Frühjahr zehn Menschen aus dem Bahnhofsviertel mit Hilfe von EU-Fördergeldern zu „Konfliktlotsen“ ausgebildet.

Wer sich also fortan über Holzkohlequalm oder Renovierungskrach ärgert, kann beim Streithaus einen Stadtteilmediator ordern – gegen Spende. In den meisten Fällen kommt es dann gar nicht erst zur Mediation. „Viele Konflikte werden auf dem Weg dorthin geregelt“, erklärt IKM-Leiter Lünse. So bewirke es schon viel, dass die frisch ausgebildeten Lotsen ihr Know-How nutzen und als „Brückenköpfe“ fungieren. Lünse: „Das Streithaus wirkt wie ein Motor im Stadtteil. da passiert auf breiter Basis etwas.“ So wurde auf Festen mit Straßentheater für die Methode geworben. „Wir befinden uns noch in der Startphase und versuchen, uns mit Flyern und Kontakten zu Schule, Kirche und Polizei bekannt zu machen“, berichtet Heike Harnhöster, eine der zehn Mediatorinnen. Da die Schwelle, sich bei einem Nachbarschaftkonflikt Hilfe zu holen, groß sei, müssten diese Kontakte sensibel angebahnt werden.

Kommt es dann doch zur Mediation, so soll dies nach den Kriterien des Bundesverbands für Mediation in Phasen geschehen. Zunächst werden die Regeln erklärt, dann darf jede Seite dem Mediator ihre Sicht der Dinge vortragen, um den Sachstand zu klären. Nachdem in der dritten Phase „Konflikterhellung“ die Gefühle wie Wut, Trauer, Ärger oder Angst offenbart wurden, ist laut Dieter Lünse „auf dem Weg zur Konfliktlösung schon viel geschaft“. Schließlich wird in Phase vier von den Kontrahenten nach „Problemlösung“ gesucht, die in Phase fünf schriftlich fixiert wird. „Es muss da nicht der große Frieden enstehen“, sagt Lünse. Aber am Ende der fünf Phasen sei der „Knoten des Konflikts“ meist schon gelöst. „Der eine versteht, warum der andere sich vom Grillen belästigt fühlt und der andere, warum der eine gerne grillt“, um beim Beispiel zu bleiben. Und vielleicht grillen sie dann auch zusammen. KAIJA KUTTER

Infos: www.ikm-hamburg.de