Susi on the beach

Susanne Lahme war eine der besten deutschen Volleyballerinnen – in der Halle. Seit zweieinhalb Jahren pritscht und baggert sie erfolgreich im Sand

AUS ATHEN FRANK KETTERER

Susanne Lahme kann richtig ins Schwärmen geraten, wenn sie von Olympia erzählt. Wie toll die Anlage sei hier in Athen, wie aufregend das Leben im olympischen Dorf, wie nett und interessant die Menschen, mit denen man dort zusammenlebt für die Zeit der Spiele. Susanne Lahme strahlt dann ganz selig, und sie sieht dabei aus wie ein großes, blondes Mädchen, für das sich gerade ein lang gehegter Traum erfüllt, der der Traum eines jeden Sportlers ist: einmal Olympische Spiele erleben zu dürfen.

Ein bisschen stimmt das ja auch, weil Lahme wirklich das erste Mal dabei ist, um am olympischen Strand nach Volleybällen zu baggern. Es stimmt aber auch wieder nicht, weil die große Blonde längst eine gestandene Frau von 35 Jahren ist, die durchaus schon ein paar Spiele mehr erlebt hat als diese in Athen. Bereits 1988 in Seoul war sie dabei, Fünfte wurde sie damals mit dem Volleyballteam der DDR. Es folgten Atlanta 1996, dann Sydney 2000, beide in der Halle, und nun eben Athen, diesmal aber on the beach. Olympia in Griechenland, so könnte man sagen, sind somit gleichzeitig ihre vierten und ihre ersten Spiele. „Ich finde es ziemlich aufregend, das hier erleben zu dürfen“, sagt Susanne Lahme und hat wieder ihr Mädchenlächeln auf.

Nun könnte man an dieser Stelle leicht dem Irrglauben verfallen, dass das Volleyballern unter Hallendach und freiem Himmel so ziemlich das Gleiche ist (Ball muss übers Netz) und Lahmes Umstieg somit keine größere Leistung. Aber das stimmt kein bisschen, und auch Lahme musste erkennen, dass das „eine völlig neue Sportart“ war, auf die sie da umschulte. „Das sind zwei Welten“, sagt sie, und meint damit keineswegs die äußeren Begleitumstände. Beachvolleyball war ja schon immer etwas freakig, einfach laut, bunt und hipp, selbst bei Olympia ist das nicht anders, während die Hallenvariante im Gegensatz dazu doch eher brav und bieder daherkommt und, na ja, immer so ein bisschen nach Turnvater Jahn riecht, auch wenn es mittlerweile schon besser geworden ist.

Aber das ist es nicht, was es Sportlern wie Lahme so schwer macht, das Metier zu wechseln, daran gewöhnen sie sich schnell. Dass man sich im Sand anders bewegen, anders springen, anders schlagen muss, sich daran zu gewöhnen und es zu automatisieren, dauert da schon länger. „Am Anfang habe ich mich gewundert, wo man beim Beachen alles Muskeln braucht“, erinnert sich Susanne Lahme an ihre ersten Baggereien im Sand. Und nach wie vor findet sie den Stress am Strand deutlich höher als in der Halle. „Wenn es nicht so läuft, kann man sich nicht auswechseln lassen oder hinter einer Mitspielerin verstecken“, man ist schließlich nur zu zweit. „Und wer Schwäche zeigt, wird vom Gegner gnadenlos unter Beschuss genommen.“

Susanne Lahme kann mit dem Druck ganz gut umgehen, sonst wäre sie ja nicht bei Olympia. Es gab schon Risiken, ob das Experiment wirklich gelingen würde. „Wie eine Nachwuchsspielerin“ ist sie ihrer Partnerin Danja Müsch bei den ersten gemeinsamen Versuchen vorgekommen, „aber mit wahnsinnig Potenzial nach oben“. Was eine nette Umschreibung ist angesichts der Tatsache, dass Lahme gut ein Jahrzehnt nicht nur irgendeine deutsche Hallennationalspielerin war, sondern Deutschlands mit Abstand beste, der einzige Star. Selbst in Italien, wo Volleyball eine richtig große Nummer ist, brachte es die 35-Jährige zu einer satten Portion Ruhm. „La perla tedesca“, die deutsche Perle, nannten sie die Journalisten schwärmerisch. Auf allerhöchstem Niveau pritschen und baggern konnte die große Blonde also schon immer, und natürlich hat ihr das bei der Umschulung im Schnelldurchgang geholfen.

Zumal sie mit Danja Müsch eine kaum minder erfahrene Partnerin gefunden hat. Die 33-Jährige ist am Strand das, was Lahme über Jahre in der Halle war: Deutschlands Miss Volleyball. Und auch sie war schon 1996 (Platz 7) und 2000 (9.) bei Olympia dabei und weiß, wie es geht. Nach Sydney machte sie eine Babypause – und danach, gut zweieinhalb Jahre ist das jetzt her, traf sie Lahme und tat sich mit ihr zusammen. Die beiden großen Damen des deutschen Volleyballs mussten ganz von vorn anfangen – und ganz unten. Bei größeren Turnieren ließ man sie durch Mühlen der Qualifikation gehen, fürs Hauptfeld waren sie mangels Ranglistenpunkten nicht gesetzt. So manches Mal sind sie nicht über die Qualifikation hinaus gekommen – und das Experiment schien zu scheitern.

Müsch und Lahme haben sich durchgebaggert, sie sind schließlich hier. Dass zwei so große und erfolgreiche Sportlerinnen nicht nur dabei sein wollen, kann man sich wiederum denken. Und man kann es hören, draußen, im Olympic Beach Volleyball Center in Faliro. Wenn Danja Müsch in der Abwehr mal wieder einen Ball wegfischt und der Stadionsprecher vor Begeisterung „Danja! Danja! Danja!“ ins sein Mikrofon brüllt, und dass Danja nun „on fire“ sei. Oder wenn Susanne Lahme, die große Blonde vorn am Netz hoch steigt und den Ball übers Netz und den Gegnerinnen um die Ohren drischt, und nur noch ein ehrfürchtiges „What a big hammer!“ aus den Lautsprecherboxen dröhnt. 2:1 gewinnen die beiden an diesem Nachmittag gegen die brasilianischen Mitfavoriten Sandra Pires und Ana Paula Connelly. Gestern, schon einen Tag später, standen sie im Achtelfinale gegen Daniela Gattelli und Lucilla Perrotta (Italien) – und verloren nach dramatischem Match mit drei eigenen Matchbällen nach mehrmaliger Verlängerung im dritten Satz (21:16, 17:21, 19:21).

Fast egal. Schon vorher hatte Lahme über die Achtelfinalteilnahme gesagt: „Damit haben wir unser Ziel erreicht“, und sie hatte wieder dieses Lächeln gelächelt.