Schenk mir deine Schenkel

Geht runter wie geschnitten Huhn: In Anders Thomas Jensens Komödie „Dänische Delikatessen“ wird das Menschenfleisch nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird

Niemand wollte, dass der Elektriker stirbt. Svend hatte nur aus Versehen die Tür geschlossen, als der gute Mann im Kühlraum die letzten Drähte verlegte. Steif gefroren zwischen Schweinehälften und Hähnchenkeulen lag er dann da und musste weg. Also knüpfte Svend den toten Elektriker an den Haken und schnitt ihm zwölf feine Koteletts vom Schenkel. Schlimm das, aber noch schlimmer ist, dass den Kunden die lecker marinierten „Hähnchen-Happen“ so gut schmecken. Nun braucht Svend Nachschub, auch wenn seinem Kompagnon Bjarne die Sache gar nicht schmeckt. Als Nächstes ist der Makler dran. Irgendwann ist es nur noch „ein kleiner Schwede im Park“.

Willkommen im Land des schwarzen Humors, in Dänemark. So sieht es also aus, wenn die Leute von der Kopenhagener Filmschule mal die Dogma-Regeln ignorieren und kräftig in Genre machen. Es ist nicht das erste Mal. Gerade Regisseur Anders Thomas Jensen hat ja nicht nur „Mifune“ gedreht. Als Autor war er zuletzt für den schwer tragischen „Open Hearts“ und die etwas halbgare Suizidkomödie „Wilbur Wants to Kill Himself“ verantwortlich. Manche werden sich mit Grausen, andere mit einem Zungeschnalzen an Lasse Spang Olsens „In China essen sie Hunde“ erinnern, wo es auch nicht immer moralisch astrein zuging. Drehbuch: Anders Thomas Jensen. Dagegen sind die „Dänischen Delikatessen“ sogar relativ bekömmlich. Nur dass Bjarne seinen hirntoten Bruder abschalten wollte, um als Startkapital für den Metzgerladen die Lebensversicherung zu kassieren, wird wieder einigen nicht gefallen. Aber der Bruder war schon vor seinem Koma nicht gesund, und auch die Ärztin hat gesagt, so sei es „besser für alle“.

Zugegeben, es fällt schwer, sich vom Humor dieses Films zu lösen. Geht runter wie geschnitten Huhn. Jensens Geschichte nimmt für sich ein, nicht zuletzt durch die Hauptdarsteller. Da ist der herzhaft unsympathische Svend, gespielt von Mads Mikkelsen, aus schnell offensichtlichen Gründen auch „Schweiß-Svend“ genannt. Ein ewiger Außenseiter, der sich, den Häppchen sei Dank, das erste Mal geliebt fühlt. Und da ist Bjarne, gespielt von Nikolaj Lie Kaas, seit dem Unfall mit seinem Bruder zerfressen vom Hass auf Vegetarier und Menschen im Allgemeinen.

Der Bruder taucht allerdings wieder auf. Denn einerseits braucht der dänische Film, der sich ja gerne als Kino der moralischen Zuspitzung versteht, seine Behinderten. Andererseits wird hier nichts gar so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Jensen verwendet viel Mühe darauf, das Kachelambiente der Apparatemedizin mit dem des blutigen Metzgerhandwerks in Beziehung zu setzen. Das ergibt den schaurigen Grünton, der sich so schön auf Svends perlender Stirn spiegelt. Aber letztlich ergeht er sich nicht in groteskem Grusel, sondern erdet seine Geschichte auf dem Boden menschlicher Unzulänglichkeiten. Muss doch bei den grünen Metzgern das reale Grauen ihrer Biografie als Rechtfertigung für den Horror der Gegenwart herhalten. Diese Idee ist noch so gut, dass sich dafür so mancher Komödienregisseur seinen Schenkel marinieren ließe. PHILIPP BÜHLER

„Dänische Delikatessen“. Regie: Anders Thomas Jensen. Dänemark 2003, 95 Min.