Kerry kämpft um sein Image als Kriegsheld

Eine dem US-Präsidenten Bush nahe stehende Veteranengruppe verbreitet, Kerry übertreibe all seine Heldentaten im Vietnam-Krieg. Was die Demokraten als „Schmierenkampagne“ denunzieren, hat Erfolg: Kerry muss sich wehren

„Persönliche Angriffe sind leider normal in amerikanischen Wahlkämpfen“

PHILADELPHIA taz ■ Veteranen dürfen nicht fehlen auf Wahlkampfveranstaltungen von John Kerry. Der frühere Elitesoldat Jim Rassman ist der bekannteste von ihnen. Er saß in Kerrys Schnellboot, damals im Mekong-Delta. Er saß in der ersten Reihe beim Parteitag des demokratischen Herausforderers von US-Präsident George W. Bush, Ende Juli in Boston. Immer wieder erzählt er die Geschichte, wie Kerry ihm bei einem Angriff das Leben gerettet habe.

Kerry braucht in diesen Tagen Veteranen wie Rassman mehr denn je: Denn eine von Republikanern finanzierte Gruppe, die sich „Schnellboot-Veteranen für die Wahrheit“ nennt, hat Kerry in einem Werbespot der Lüge bezichtigt und ihm vorgeworfen, seine „Heldentaten stark zu übertreiben“. Ja, sie gehen sogar so weit zu behaupten, Kerry habe sich seine Kriegsverletzung selbst zugefügt.

13 Veteranen treten in dem einminütigen Werbespot auf, der eigentlich nur in den umkämpften US-Bundesstaaten Ohio, West Virginia und Wisconsin gezeigt wurde. Doch die Wirkung war groß: In keiner der Nachrichtensendungen durften die Aussagen der Veteranen fehlen. Eine neue CBS-Umfrage hat ergeben, dass Bush unter Veteranen wieder mit 55 zu 37 Prozent führt, nachdem die Kandidaten Anfang August noch gleichauf waren.

Die Veteranen, die 500.000 Dollar für den Werbespot bezahlt haben, treffen Kerry an einem heiklen Punkt. Der Demokrat hat seinen Dienst im Vietnamkrieg in den Mittelpunkt seiner Kampagne gestellt. Die Rede beim Bostoner Nominierungsparteitag kreiste fast ausschließlich um seine Soldatentaten – und also, soll das suggerieren, seine Führungsfähigkeiten. „Ich heiße John Kerry, melde mich zum Dienst“, hat er in Boston salutierend gesagt.

Dekoriert mit drei Tapferkeitsmedaillen, setzt er sein Image als Kriegsheld ein, um es dem Bild Bushs als selbst ernannter „Kriegspräsident“ entgegenzuhalten. Denn kaum etwas scheint wichtiger in diesem Wahlkampf: Eine Umfrage des unabhängigen Pew Research Center hat in dieser Woche ergeben, dass die Themen nationale Sicherheit und Außenpolitik eine gewichtigere Rolle spielen als die Themen Wirtschaft und Jobs.

„Persönliche Angriffe sind leider normal in amerikanischen Wahlkämpfen“, sagt Steve Jarding, ein demokratischer Wahlkampfstratege. Sie würden besonders Kerry treffen, weil die meisten US-Wähler immer noch nicht viel über ihn wüssten. Verwundert hat Jarding deshalb, warum Kerry nicht gleich auf die Angriffe reagiert habe. Kerry hat erst am Donnerstag, bei einem Auftritt vor der Gewerkschaft der Feuerwehrmänner in Boston, Stellung bezogen und die Vorwürfe als „Schwindel“ bezeichnet. Er appellierte zudem an Bush, den TV-Spot zu verurteilen. Dass der Präsident dies bis dato noch nicht getan habe, sei ein Beleg dafür, dass Bush die Gruppe „die schmutzige Arbeit“ für seine Kampagne erledigen lassen wolle.

Kerry jedenfalls hat, entgegen seiner ursprünglichen Strategie, nun doch im eigentlich eher ruhigen Wahlkampfmonat August Werbeminuten für 180.000 Dollar gebucht. In dem 30 Sekunden langen Spot, der seit gestern läuft, sagt ein Sprecher, Militärdokumente bestätigen Kerrys „Heldentat“. Und dann tritt wieder Jim Rassman auf und erzählt: „All diese Vietcongs schossen auf mich, ich dachte, das ist das Ende. Als er mich aus dem Fluss zog, riskierte er sein Leben für meines.“ THILO KNOTT