Eiern um Ein-Euro-Jobs

Kritik an dem Billigjob-Versprechen von Wirtschaftsminister Clement: Norbert Blüm befürchtet Lohndumping, SPD-Abgeordnete und Wirtschaftsexperte bezweifeln Entstehen neuer Jobs

BERLIN taz ■ Die Kritik an den Sozialreformen der Bundesregierung reißt nicht ab. Ins Kreuzfeuer gerieten gestern die Ein-Euro-Jobs, die Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) massenhaft in Aussicht stellt. So befürchtet der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) einen „Drehtüreffekt“. „Ich schmeiße einen anständig Bezahlten raus und stelle jemand anderen für einen Hungerlohn ein“, sagte Blüm im taz-Interview.

Bundeskanzler Gerhard Schröder erwartet, dass Clement seine Ein-Euro-Idee bis zur Kabinettsklausur Anfang September konkretisiert. 230.000 bis maximal 600.000 Bezieher des künftigen Arbeitslosengelds II könnten gemeinnützige Jobs annehmen, wenn ihnen Kommunen oder Sozialverbände etwa einen Euro pro Stunde zusätzlich zum Alg II zahlten, hatte Clement versprochen.

Der Minister hofft, dass die Billiglöhner später leichter eine Stelle in der Wirtschaft finden. „Einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt wird es nur in Ausnahmefällen geben“, vermutet dagegen die SPD-Bundestagsabgeordnete Ingrid Skarpelis-Sperk. An dem „Arbeitsdienst ohne Zukunft“ kritisiert sie gegenüber der taz die unheilvolle Kombination aus schlechter Bezahlung, Zwang und mangelnder Qualifizierung. Stattdessen fordert Skarpelis, soziale Dienstleistungen müssten mittels Sozialversicherung und öffentlicher Subventionen vernünftig bezahlt werden.

Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) argumentierte, dass durch die billigen Ein-Euro-Stellen das Entstehen normal bezahlter Arbeitsplätze im Sozialbereich verhindert werde. Die Kritik von Seiten der Union und der Wirtschaftsverbände geht in eine ähnliche Richtung: Staatlich gesponserte Minijobber würden den Privatfirmen Konkurrenz machen, so dass eher Arbeitsplätze verloren gingen.

Grundsätzliche Unterstützung bekam Clement hingegen von Grünen-Fraktionschefin Krista Sager: „Die Nachfrage nach Ein-Euro-Jobs ist größer als das Angebot.“ Sager empfahl allerdings, die Ministellen nicht auf 9 oder 10 Monate zu befristen: „Da brauchen wir mehr Flexibilität“. HANNES KOCH

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