„Brechen Sie, wenn man Sie biegt?“

Ein brachiales Kammerspiel: Die kraftvolle Eigenproduktion „Ja. Tu es. Jetzt.“ des „Jungen Theaters“ beschäftigt sich mit Macht und Selbstaufgabe

„Ich muss verrückt sein“, stammelt die Schauspielerin, die sich um eine Rolle bewirbt. Und sich dafür auszieht, erniedrigen lässt und jeglichen Selbstrespekt verliert. „Nein“, antwortet die Regisseurin, die das Bewerbungsgespräch führt, „sie sind pragmatisch“. In der Eigenproduktion „Ja. Tu es. Jetzt“ wächst sich ein sprödes Casting zu einem weltumspannenden Pessimismus aus, den Nomena Struß quälend-brachial in Szene gesetzt hat. Das Kammerstück verfasste Feridun Zaimoglu für das „Junge Theater Bremen“. In nur einem Bild erzählt es von Macht und Selbstverrat. Die Uraufführung fand in der Bremer Schwankhalle statt, dem neuen Domizil der Schauspielgruppe.

Um die Motivation der Produktivkräfte – neudeutsch: Arbeitnehmer – aufrecht zu erhalten, ist laut Karl Marx im Kapitalismus ein ständig verfügbares Heer von Arbeitslosen nötig. Als eine unter vielen steht nun die namenlose Bewerberin im gleißenden Licht der Scheinwerfer. Die Helligkeit kehrt ihr Inneres nach außen. Ihre Haut ist blass, ihr Körper drall. Erbärmlich klein steht sie auf der großen Bühne, voller Angst im Gesicht. Selbst das knappe Glitzerkleid wirkt an der von Andrea Liebzeit verkörperten Bewerberin lachhaft. Erst recht ihre Gesangs- und Tanzversuche. Vergeben wird eine unbekannte Rolle in einem unbekanntem Stück, eine ungewisse Zukunft also. „Sie bestimmen den Ablauf, sie haben alles in der Hand“, sagt sie zur Regisseurin. Judica Albrecht spielt die real existente Variante von Sonja Zietlow aus der TV-Show „Der Schwächste fliegt“. Und baut im Stück ihre Macht beharrlich aus: Die Kandidatin lässt sich von ihr betatschen. Sie lässt sich gar vergewaltigen, während die Bässe aus der Box unbarmherzig in den Körper hämmern. In der beklemmendsten Szene des Stücks will man nicht fassen, was da geschieht und lechzt doch danach, in den kurzen Momenten des aufflackernden Stethoskoplichts mehr zu sehen.

Danach ist Stille - Pausen, in denen Mimik und Bewegungen der beiden Bühnenakteure angespannt ruhen. Beklemmende Pausen, die auch den Zuschauer erstarren lassen. Der allseits beliebte Genital-Humor wird konsequent in den niederschmetterndsten Szenen eingesetzt, was Widerwärtigkeit und Ekel erhöht. Vielleicht wirkt das Stück auch deshalb so brutal, weil es schonungslos offenbart, dass Gegensätze wie Liebe und Hass, Vertrauen und Verrat in jeder zwischenmenschlichen Konstellation zusammengehören. Immer spielt Macht eine große Rolle, doch wer gibt sie den Mächtigen? Ist es das System oder das Individuum selbst? Nur einen Ausweg bietet das Stück an, umrissen durch die Regisseurin: „Alles andere als Totschlag wäre ein Kompromiss.“ Jan Grundmann

„Ja. Tu es. Jetzt.“ Schwankhalle. Aufführungen: von heute bis Freitag, 19. sowie Mittwoch, 24. bis Sonntag 28. September, jeweils 20.30 Uhr. Samstag, 20. September 21.30 Uhr