Die Tram kommt seltener

Die BVG will abspecken. Dran glauben müssen wohl einige Bus- und Straßenbahnlinien, denen Kürzung oder Streichung blüht. Und das Personal muss sich auf ungemütliche Zeiten einstellen

von RICHARD ROTHER

Wenn heute Morgen BVG-Chef Andreas Graf von Arnim im ICC vor die versammelte Belegschaft trifft, dürfte ihm einiger Unmut entgegenschallen. Will er doch den rund 12.000 Mitarbeitern des landeseigenen Betriebes ein Konzept für weitere Einsparungen vorstellen. Schließlich findet nicht nur von Arnim, dass die BVG zu viele Mitarbeiter beschäftigt und die verbleibenden Beschäftigten zu viel verdienen (siehe unten). Da betriebsbedingte Kündigungen schwer durchzusetzen sind, könnte bei der BVG anstehen, was im öffentlichen Dienst unter „Solidarpakt“ firmierte: weniger Lohn bei weniger Arbeitszeit. Vertreter der Gewerkschaft Ver.di haben schon angekündigt, in puncto Lohnverzicht verhandlungsbereit zu sein, wenn es beim Kündigungsschutz bleibt.

Aber auch die Kunden der BVG werden die Sparzwänge des Unternehmens, das jährlich 400 Millionen Euro aus dem Säckel der hoch verschuldeten Stadt erhält, zu spüren bekommen. Die Maßnahmen: Streckenstilllegungen, -kürzungen, Ausdünnung der Taktzeiten.

„Uns liegen eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch“, sagte gestern eine Sprecherin von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD), der die Veränderungen bei den Linien genehmigen muss. Diese Vorschläge würden nun geprüft, Konkretes könne noch nicht gesagt werden. Auch bei der BVG hielt man sich gestern zurück. „Alles ist noch in der Phase der Wahrheitsfindung“, so eine Sprecherin.

Dabei scheinen die Planungen für Linienänderungen schon relativ weit fortgeschritten zu sein, wie Matthias Horth, Vizechef des Berliner Fahrgastverbandes IGEB, bestätigte. So soll die Straßenbahnlinie 24, die zwischen Wedding und Weißensee verkehrt, eingestellt werden. Horth: „Das ist aber vertretbar.“ Diese Linie sei ohnehin nur zur Verstärkung eingesetzt worden, die Strecke werde von anderen Linien abgedeckt.

Schlimmer für Fahrgäste seien die Erweiterungen der Taktzeiten bei den Tramlinien 52 und 53, die zwischen dem nördlichen Pankow und Mitte verkehren. Sie sollen künftig statt alle 15 nur noch alle 20 Minuten verkehren. Vor allem im Berufsverkehr seien diese Verschlechterungen problematisch, so Horth.

Probleme sieht Horth auch bei Buslinien, wenn bei lokalen Verbindungen unter dem Stichwort, Parallelverkehre abzubauen, zusätzliches Umsteigen erforderlich wird. So soll zum Beispiel der Express-Bus 21, der vom Märkischen Viertel zum Messegelände führt, bereits am Bahnhof Jungfernheide enden. Horth: „Wer mit diesem Bus zur Deutschlandhalle will, muss dann zweimal mehr umsteigen.“ Mit einer Linienstreichung ist der Fahrgast-Vertreter aber einverstanden: Der Expressbus zum Flughafen Schönefeld sei „gequirlter Quatsch“ gewesen. Nur wenige Passagiere hätten diese Linie angenommen.

Insgesamt, so das Resümee des Fahrgastvertreters, müsse die BVG zwar sparen, dürfe dies aber nicht auf dem Rücken der Kunden tun. Auf der Kostenseite, vor allem im Verwaltungsapparat, gebe es noch Luft, meint Horth.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Michael Cramer schlägt in die gleiche Kerbe. „Das Problem sind die hohen Personalkosten.“ Jetzt räche sich, dass der Senat die BVG aus dem Solidarpakt ausgeklammert habe. Dies müsse jetzt nachgeholt werden. Zudem sollten für Fahrausweis-Kontrollen BVG-Beschäftigte und nicht Mitarbeiter von Fremdfirmen eingesetzt werden. Gleichzeitig sollte der Senat die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen für die BVG verbessern, fordern Cramer und Horth unisono. So müsse das Busspurnetz ausgeweitet und der Ampelvorrang für Bus und Bahn konsequent verfolgt werden. Cramer geht noch einen Schritt weiter, um notorische Autofahrer in den öffentlichen Nahverkehr zu locken: Mit einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung könnten verlorene Fahrgäste zurückgewonnen werden. Mancher BVG-Mitarbeiter wird es heute merken: Wer mit dem Auto zum ICC will, muss zahlen.