fußpflege unter der grasnarbe
: Besser verdienende Astra-Zombies

Heute muss ich mich mal als Denunziant versuchen, und Kompromisse kann ich dabei leider nicht machen. Der Anlass ist eine Gruppe von rund zehn Krakeelern, die am Freitag das DFB-Pokalspiel zwischen dem FC St. Pauli und Energie Cottbus besuchten. „Scheiß DDR“, „Ossischweine“ und „Für Hartz IV“ hießen ihre Hits an diesem Abend, und für einige Cottbuser Spieler gab es noch ein paar individuelle Beschimpfungen mit demselben Tenor.

Zwar ist es nicht neu, dass es St. Pauli-Fans gibt, die ihren Rassismus ausleben, indem sie sich als Objekt Ostdeutsche auswählen, aber die Penetranz und – sofern man das angesichts des Alkoholpegels sagen kann – Systematik, mit der diese Gruppe das beim Cottbus-Spiel zelebrierte, hatten eine neue Qualität.

Die Typen saßen auf der Haupttribüne – in den beiden untersten Reihen von Block 8. Ich weiß nicht, ob die da auch sonst hocken, weil ich meinen Platz im Stadion ständig wechsele, doch für den Fall, dass sie dort beim nächsten Heimspiel wieder auftauchen, versuche ich, einige von ihnen so gut wie möglich zu beschreiben. Wer masochistisch oder soziologisch veranlagt ist oder andere gute Gründe hat, möge sich in diesem Bereich des Stadions einfinden, der Rest meide ihn weiträumig.

Zwei Burschen trugen goldene Ohrringe und einen Schnurrbart und gaben sich durch gelegentliche Ausrufe als Anhänger der Freezers sowie des Neu-Oberligisten Barmbek-Uhlenhorst zu erkennen. Zwei weitere trugen Jeansjacke und eine relativ schlichte dunkelrandige Brille, ein anderer war im Jackett aufgelaufen, präsentierte zudem ein eher affiges Nasenfahrrad und die schwarzen Haare in leicht gegeltem Zustand. Der Lauteste und Besoffenste von allen, sagen wir mal: der Chefideologe, trug ein unbeschriftetes Käppi, ein Hemd in gedämpftem Rosa und eine Jacke, bei der hinten in Schreibschrift irgendwas mit „-bury“ aufgedruckt war. Die meisten von ihnen wirkten wie mittlere Angestellte oder Inhaber einer Kleinfirma.

Der Gentleman mit der „-bury“-Jacke bedachte nicht nur die Cottbuser, sondern auch Mourad Bounoua und, vor allem, Achim Hollerieth mit übelsten Beschimpfungen. Wer ein Beispiel suchte für die These Klaus Theweleits, dass, vereinfacht formuliert, die Boulevard-Berichterstattung, die einen Keil zwischen Berufsfußballer und Fans treibt, einen faschisierenden Effekt hat – am Freitag bekam er es präsentiert.

Nein, Nazi-Parolen haben diese besser verdienenden Astra-Zombies nicht gerufen, sonst wären sie ja ein Fall für den Ordnungsdienst gewesen. Trotzdem: Ich habe am Millerntor nie zuvor solch niederträchtige, asoziale und menschenfeindliche, oder eben auch: faschistische Typen erlebt.

Unappetitlicher wurde die Angelegenheit noch dadurch, dass der eine bebrillte Jeansjackentyp zwei sieben- bis achtjährige Kinder dabei hatte, die direkt neben dem ständig schreienden „-bury“ saßen und einem so Leid tun mussten wie die Kids von Crack-Junkies. Die Kinder wirkten mit zunehmender Spieldauer verstört, zumal eines von einem Jeansjackenträger aus der DDR-Hasser-Clique auch noch eine kleine Bierdusche verpasst bekam, als der seinen Becher nach vorn warf.

Ein Klub, der mit seinem Image solche Fans anlockt, hat definitiv ein Image-Problem.

Fotohinweis: Mehr lesen von René Martens kann man im von dem Schriftsteller Frank Goosen herausgegebenen Sammelband „Fritz Walter, Kaiser Franz und wir. Unsere Weltmeisterschaften“ (Eichborn)