Talentschmiede für die Türkei

Mit Hilfe von Fenerbahce Istanbul soll der Oberligist Türkiyemspor in die Zweite Bundesliga aufsteigen. Dazu bedürfte es allerdings einer Anschubfinanzierung von zwei Millionen Euro

VON JÜRGEN SCHULZ

Vor wenigen Wochen kam sich Kadir Aslan vor wie der Anführer einer Horde Aussätziger. „Wir haben schlechtere Bedingungen als ein Kreisligist“, schimpfte der Vorsitzende von Türkiyemspor. Dass die 1. Männermannschaft des Kreuzberger Clubs immerhin in der höchsten Amateurklasse kickt, spiele bei der Trainingsplatzvergabe durch das Bezirksamt offensichtlich keine Rolle, wetterte er.

Also war der Oberligist zum Nomadentum verdammt und musste sich Tag für Tag ein Übungsgelände in Rest-Berlin suchen. „Die Bedingungen sind in der Tat eine Katastrophe“, erklärte ein verzweifelter Trainer Thomas Herbst, der am Teufelsberg Kondition bolzen ließ, obwohl didaktisch längst der Feinschliff für das sensible Kombinationsspiel fällig gewesen wäre.

Inzwischen hat sich die Welt des Türkenclubs allerdings grundlegend verändert. Nicht genug damit, dass das Sportamt die Kicker nunmehr zweimal wöchentlich im Katzbachstadion trainieren lässt. Am vergangenen Donnerstag hob der Vorsitzende in Gedanken sogar ab. „Ich fliege morgen nach Istanbul“, erklärte Aslan.

Am Bosporus habe er einen wichtigen Termin an einer der feinsten Fußball-Adressen Anatoliens. „Fenerbahce will uns finanziell unter die Arme greifen und versuchen, uns in die Zweite Liga zu bringen“, erläuterte der Türkiyem-Chef. Eigentlich wollte er vorab nichts Näheres zu seiner Mission sagen, aber da Aslan schon mal dabei war, fing er bei- nahe an zu jubeln: „Das ist die große Chance für uns, nochmals groß rauszukommen!“

Aslan will in Istanbul vorfühlen, wie ernst es der türkische Champion mit seinem Vorhaben meint, in Kreuzberg eine Deutschland-Filiale zu eröffnen. Erste Gespräche fanden bereits im Juli statt, als Fenerbahce zu einem Freundschaftsspiel gegen Türkiyem im Jahnsportpark weilte. Nun scheint die Sache konkreter zu werden.

Angeblich trägt sich Fenerbahce, Arbeitgeber des deutschen Fast-Bundestrainers Christoph Daum, mit der Absicht, im Katzbachstadion einen externen Talentschuppen einzurichten. Die Kreuzberger sollten hiesige Kids ausbilden, auf die Fenerbahce später das privilegierte Zugriffsrecht hätte.

Dass in diesem Zusammenhang am Bosporus der Name „Türkiyemspor“ fällt, kommt nicht von ungefähr. „Wir sind in der Türkei bekannt wie ein bunter Hund“, sagt Aslans Stellvertreter Nicolas Gauger mit hörbarem Stolz. Vor 16 Jahren schaffte „Liebling Kreuzberg“ als erster türkischer Club in Deutschland den Einzug in den DFB-Pokal. Wenig später scheiterten die Berliner nur knapp am Aufstieg in die Zweite Bundesliga.

Einziger Haken bei der nun im Raum stehenden Diskussion um eine Daum-Dependance an der Spree ist wohl die Klassenzugehörigkeit der Berliner: Die Oberliga ist nicht der geeignete Laufsteg für Großtalente. Zwei Klassen höher, in der Zweiten Bundesliga, ließen sich die Rohdiamanten wesentlich besser zu Juwelen schleifen.

Für den Aufstieg bräuchte Türkiyemspor allerdings eine Anschubfinanzierung von Fenerbahce, da die Kreuzberger notorisch klamm sind. Also unterbreitet Aslan in Istanbul seinen Kostenvoranschlag. „Wenn Fenerbahce 2 Millionen Euro lockermacht, könnten wir in zwei Jahren in der Zweiten Liga sein.“