Die mit Augen plappert

Die Schwedin Carolina Klüft, das „kleine Mädchen in einer großen Welt“, schreitet nach ihrer Soloshow im Siebenkampf gewohnt schäkernd, kichernd und rümpfelnd zur achten Disziplin

AUS ATHEN FRANK KETTERER

Es war mal wieder eine Show, und wie immer hatte sie Carolina Klüft auf zwei Tage verteilt und auf sieben Disziplinen. Sie war 13,21 Sekunden über 100 m Hürden gelaufen – und es war gut. Sie war 1,91 Meter hoch gesprungen – und das war noch besser. Dann hat Carolina Klüft, die zu Hause in Schweden von allen nur Carro gerufen wird, der Reihe nach die Kugel gestoßen (14,77 m), ist 200 m gelaufen (23,27 Sek.), 6,78 m weit gesprungen, hat den Speer auf 48,89 m geschleudert und schließlich 2:14,15 Minuten für 800 m benötigt. Und am Ende, als die Wettkampfrichter all diese Klasseleistungen in Punkte umgerechnet hatten, standen da 6.952 Zähler (mit gigantischen 517 Punkten Vorsprung auf die Zweite), und die junge, blonde Frau aus Schweden war Olympiasiegerin im Siebenkampf – und konnte zur letzten Übung schreiten.

Dazu muss man vielleicht sagen, dass der Siebenkampf bei Carolina Klüft immer aus acht Disziplinen besteht – und auch die allerletzte bestreitet sie mit jener Art, die einzigartig ist in der bunten Welt der Leichtathletik. Sie sitzt also da oben auf dem Podium der Pressekonferenz, die Goldmedaille hat sie bereits abgelegt, den Kranz der Sieger auch, und macht, was sie die ganzen beiden Tage getan hat, neben all der Sportelei natürlich: zieht Grimassen, lacht, lässt ihre Augen funkeln, fährt sich durchs blonde Haar, lacht noch mehr, rümpfelt die Nase, lässt die Augen rollen, quietscht vor Vergnügen – und erzählt immer und immer wieder, wie viel Spaß ihr das alles macht, wie viel fun, fun, fun. Unten sitzen die Reporter der Welt und schmelzen dahin.

Carolina Klüft ist ein Ereignis. Und je mehr geschrieben wird über Doping und Betrug und all die unschönen Dinge, umso inständiger hofft man, dass es sich, bitte, bitte, wenigstens bei ihr um ein Naturereignis handeln möge. „Sie ist ein Bewegungsgenie“, sagt Agne Bergvall, ihr Wurftrainer. Und dazu passt die Stabhochsprunggeschichte, die hier in Athen die Runde macht. Carro ist mit dem schwedischen Stabhochspringer und Medaillenkandidaten Patrik Kristiansson zusammen. Und irgendwann in einem Trainingslager im Mai soll es gewesen sein, dass Carro zu ihrem Patrik gesagt: Liebling, lass es mich auch mal versuchen. Und dann hat sie sich einen Stab geschnappt und ist über 4,20 Meter gesprungen, einfach so. Es gibt sogar Journalisten, die behaupten, Ulf Karlsson, der schwedische Teamchef, habe bereits angekündigt, Carro könne durchaus Weltrekord mit dem Stab springen, wenn sie das nur wolle – und ein bisschen trainiere. Aber sie wolle halt nicht, noch nicht zumindest. Carro sagt: „Mal sehen, man kann nie wissen.“ Später vielleicht.

Vorerst hat sie wohl mit ihren acht Disziplinen noch genug zu tun, und schon der Siebenkampf ist ja das ständige Verwalten von Mängeln – und mit 21 gibt es da bestimmt auch bei ihr noch das eine oder andere abzustellen, auch wenn Klüft vor Olympia bekannt gegeben hat, sie befinde sich „in der Form meines Lebens“. Aber was heißt das schon bei einem 21-jährigen Girlie, das sich bisher doch noch jedes Jahr verbessert hat? Im Prinzip kennt Klüft ja gar nichts anderes als sich zu steigern, ihr ganzes Sportlerleben lang hat sie nichts anderes getan, die Rekordlisten des schwedischen Leichtathletik Verbandes sind voller Beweise hierfür: 27 Jugendrekorde hat Carolina Klüft aufgestellt seit dem Tag, an dem sie beschlossen hat, sich dem Siebenkampf zu widmen, „weil ich mich nicht für eine Disziplin entscheiden konnte“. Mit 21 hat sie schon alles gewonnen, was es in ihrem Sport zu gewinnen gibt: EM, WM, jetzt Olympia. Und natürlich ist sie in Schweden längst ein Star, den jeder kennt und der von allen geliebt wird, auch von denen, die Werbung treiben, von denen besonders. Da hilft es auch nichts, dass Carro sagt, dass sie gar kein Star sein möchte, weil sie das irgendwie „uncool“ findet. Es ist nun mal so, das kann sie jetzt nicht mehr ändern.

Und wohin soll das noch führen? Was will sie als Nächstes gewinnen? Carro rollt wieder so mit den Augen, sie kann das wirklich klasse. Und dann plappert sie etwas davon, dass es ihr gar nicht so sehr darauf ankomme, immer nur zu gewinnen, sondern dass es ihr in erster Linie um den Spaß gehe, um fun, fun, fun, dass ihr aber andererseits eben doch nichts mehr fun bereite, als zu gewinnen und die Erste zu sein, schließlich trainiere sie auch hart dafür, zweimal am Tag, sechs Tage die Woche. Und überhaupt: Sie sei ja nur „ein kleines Mädchen in einer großen Welt“. Also: Was soll das kleine Mädchen anderes tun? Nichts, überhaupt nichts. Nur einfach so weitermachen.