Kein US-Protest gegen Siedlungsausbau

Einem Pressebericht zufolge will die Regierung in Washington das Vorgehen von Premierminister Scharon im Westjordanland unterstützen. Die Palästinenser sehen einen Verstoß gegen den internationalen Friedensplan

„Die US-Juden werden die zerstörerische Politik der Siedler nicht unterstützen“

JERUSALEM taz ■ Während die Heimspiele für Israels Premierminister Ariel Scharon alles andere als vielversprechend verlaufen, kann er sich doch wenigstens der Unterstützung aus Washington erfreuen. Berichten der New York Times zufolge hat das Weiße Haus hinsichtlich des Ausbaus jüdischer Siedlungen im Westjordanland „Flexibilität signalisiert“. Der palästinensische Minister und ehemalige Unterhändler bei den Friedensverhandlungen Saeb Erikat verurteilte den US-amerikanischen Kurswechsel, der „den Friedensprozess und die Zwei-Staaten-Lösung zerstört“.

Der vor gut einem Jahr von den beiden Konfliktparteien unterzeichnete internationale Friedensplan („Roadmap“) verpflichtete Israel zu einem sofortigen und kompletten Baustopp in den bereits bestehenden Siedlungen. Nun nähert sich US-Präsident George W. Bush offenbar der Haltung der israelischen Regierung an, die ungeachtet der Roadmap die Siedlungen „entsprechend des natürlichen Wachstums“, so die offizielle Formel, ausbauen lässt.

„Je schwerer wir es für Scharon machen, desto stärker wird er von den Amerikanern unterstützt“, verknüpfte Vizeminister Michael Ratzon (Likud) die veränderte US-Haltung zum Siedlungsausbau mit den sich jüngst zuspitzenden innerparteilichen Querelen. Vergangene Woche hatte sich der Likud-Parteitag gegen die von Scharon angestrebte Zusammenarbeit mit der Arbeitspartei ausgesprochen. Die große Koalition, darin sind sich Scharon und Oppositionsführer Schimon Peres einig, sei zwingend, um den Abzugsplan für den Gaza-Streifen voranzutreiben, was wiederum im Interesse der USA liegt.

Erst Anfang des Monats hatte Scharon den Bau von 600 neuen Wohneinheiten in der größten Siedlung Maale Adumim bei Jerusalem beschlossen. Dies würde selbst das „natürliche Wachstum“ deutlich sprengen. Kurz darauf zog er die Entscheidung vorübergehend zurück. Vergangene Woche wurde schließlich der Bau von 1.000 Wohneinheiten in mehreren anderen Siedlungen im Westjordanland ausgeschrieben. Die amerikanische Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hatte noch am Donnerstag kritisch auf die Ausschreibung reagiert, die „nicht mit unserem Verständnis der Roadmap einhergeht“. Die israelische Regierung sei um „Aufklärung“ der Angelegenheit gebeten worden.

Der palästinensische Premierminister Ahmed Kurei, genannt Abu Ala, zeigte sich den Berichten gegenüber ungläubig. Er könne sich nicht vorstellen, dass die USA die Roadmap aufgeben wollen, kommentierte er gestern.

Deutlich empfindlicher reagierte die israelische Friedensbewegung „Schalom Achschaw“ („Frieden jetzt“), die regelmäßig den Ausbau der jüdischen Siedlungen dokumentiert. Jariv Oppenheimer, Sprecher der Bewegung, fürchtet, dass der Begriff „‚natürliches Wachstum‘ gefährlich ist“. Die Entscheidung des Weißen Hauses sei ein „schwerer Fehler, der dazu führen wird, dass der Bau in den Siedlungen massiv intensiviert werden wird“. Jossi Sarid, Abgeordneter des linken Bündnisses Meretz-Jachad, warnte vor dem „Irrglauben“, die Entscheidung werde sich für Bush günstig auf die US-Präsidentenwahl auswirken: „Die amerikanischen Juden werden die zerstörerische Politik der Siedler nicht unterstützen.“

SUSANNE KNAUL