SPD lockt mit Mindestlohn

Parteichef Müntefering macht neue Vorschläge. Gewerkschaftsführer äußern sich ablehnend. Kakophonie um Hartz IV geht weiter. Zahlreiche Ministerpräsidenten fordern erneute Änderungen

BERLIN dpa/taz ■ Die Gewerkschaften wollen lieber Änderungen bei Hartz IV als einen staatlich verordneten Mindestlohn, wie ihn SPD-Chef Franz Müntefering vorgeschlagen hat. Müntefering hatte im Deutschlandfunk einen Mindestlohn zwischen 3 und 7 Euro genannt. Dagegen sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters im Handelsblatt: „Die Lohnpolitik muss den Tarifparteien vorbehalten bleiben. Die Erfahrungen der Geschichte haben uns gelehrt, die Finger davon zu lassen.“

Auch DGB-Chef Michael Sommer äußerte sich skeptisch: „Wer glaubt, die Union würde im Bundesrat freudig erregt einem anständigen Mindestlohn zustimmen, täuscht sich.“ Müntefering hatte gesagt, einen Mindestlohn „diskutieren wir mit den Gewerkschaften zusammen“. Sommer forderte dagegen Nachbesserungen an Hartz IV: „Wer einmal aufmacht, hat aufgemacht.“ Die Zumutbarkeit einer Arbeit solle sich an den tariflichen und ortsüblichen Löhnen orientieren. Dieser Passus im Hartz-Gesetz war auf Druck der Union gekippt worden.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer begrüßte die Öffnung der SPD beim Mindestlohn. „Ich bin absolut überzeugt, dass es notwendig ist, Mindestlöhne gesetzlich zu garantieren, um der Gefahr einer ständigen Abwärtsspirale und eines Lohndumpings zu begegnen.“ Da müssten „jetzt die Gewerkschaften einschlagen“, sagte Bütikofer in der Rheinischen Post.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verlangte in der taz weitere Korrekturen an Hartz IV. Platzeck kritisierte die Regelungen bei der Altersvorsorge und die Anrechnung der Verdienste von Kindern für Bezieher des Arbeitslosengeldes II. „Das sollten wir uns noch einmal ansehen“, sagte Platzeck. Auch mehrere CDU-Ministerpräsidenten forderten Änderungen an Hartz IV. Der Thüringer Dieter Althaus will die Anrechnung der Altersvorsorge kippen. Peter Müller (Saarland) möchte, dass die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld davon abhängt, wie lange ein Arbeitnehmer in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat.

Kanzler Gerhard Schröder lehnte dagegen Änderungen ab. Die Union zeige mit ihrem Hin und Her „in unanständiger Weise“, dass sie nicht in der Lage sei, das Land zu regieren. Die Diskussion über einen Mindestlohn hatte Schröder zuletzt eine „seriöse Debatte“ genannt, jedoch eingeschränkt, er sei in der Frage „sehr zurückhaltend“.

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