Protest vor der Kölner „Agentur für Armut“

Das Kölner Wahlbündnis „gemeinsam gegen sozialraub“ demonstriert gegen das „Sozialabbauprogramm Hartz IV“, das keine neue Arbeit schaffe, sondern nur neue Armut. Agentur-Sprecher: „Einseitige Wahrnehmung“ der Reform

Köln taz ■ Dass Kölns Arbeitslose Langschläfer sind, kann man wirklich nicht behaupten. Am „Arbeitsamt“ ist morgens um neun Uhr schon einiges los. Trotzdem konnte das Kölner Wahlbündnis „gemeinsam gegen sozialraub“ gestern Vormittag nur etwa 30 Besucher überzeugen, sich der Anti-Hartz-Kundgebung vor dem Haupteingang der Behörde anzuschließen.

„Die Deutschen sind nicht besonders spontan“, erklärt sich der Spitzenkandidat des Bündnisses, Claus Ludwig, das geringe Interesse. Außerdem wären Arbeitslose „traditionell“ schwer zu Demonstrationen zu bewegen. „Die meisten haben mit ihrer persönlichen Situation schon genug zu tun.“ Indes war die zentrale Botschaft des Protests weithin sichtbar auf einem Transparent zu lesen, das die Aktivisten – offenbar unbemerkt – aus einem der oberen Stockwerke des Hochhauses an der Luxemburger Straße gehängt hatten: „Hartz IV stoppen, Montagsdemos, Streiks“. Solche drastischen Maßnahmen seien notwendig, weil Hartz IV als das „größte Sozialabbauprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik“ zur „Verarmung für hunderttausende von Menschen“ führen werde, so Ludwig. Den Beschäftigten der Agentur rief er zu, dass man nicht gegen sie protestiere, „sondern gegen die Sozialräuber aus Politik und Wirtschaft“. Er forderte die Mitarbeiter auf, sich mit den Arbeitslosen zu solidarisieren, denn „richtige, menschenwürdige Arbeit können Sie doch nur in den seltensten Fällen vermitteln.“ Ein weiterer Redner betonte, dass die Behauptung, Hartz IV schaffe neue Arbeitsplätze, eine „glatte Lüge der Regierung“ sei. Mehr Arbeit habe man auch in der Vergangenheit versprochen und damit Sozial- und Lohnkürzungen begründet. „Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit immer weiter gestiegen.“

Im Anschluss an die Reden nahm man eine „feierliche Umbenennung“ der Agentur für Arbeit in „Agentur für Armut“ vor. Ungeachtet des Protests von Mitarbeitern der Agentur drängten die Demonstranten mit dem neuen Namensschild in das Gebäude, wo ein Langzeitarbeitsloser die dramatischen Folgen von Hartz schilderte.

Dass seine Behörde jetzt auch das Ziel von Anti-Hartz-Protesten wird, sieht der Sprecher der Kölner Agentur für Arbeit, Wolfgang van Ooyen, gelassen. Inhaltlich hat er allerdings wenig Verständnis für diese „einseitige Wahrnehmung“ der Reformen. Auch der neue Name für sein Haus treffe nicht den Kern der Sache: „Hartz IV wird nicht zu Armut führen“. Susanne Gannott