SPD demonstriert Gelassenheit

Und er marschierte doch: Neben tausenden anderen ging gestern auch der PDS-Partei- und Fraktionschef Stefan Liebich auf die Straße. Der Regierende Bürgermeister lobt dafür die Senatorenkollegen der PDS. Bündnisdemo diesmal zu den Grünen

von STEFAN ALBERTI
und FELIX LEE

Und dann war er doch da. Bis zum frühen Montagmorgen hatte es PDS-Landes- und Fraktionschef Stefan Liebich offen gehalten, ob er tatsächlich wie angekündigt an der zweiten großen Montagsdemonstration gegen Hartz IV teilnehmen würde. Prinzipiell ja, hatte er bereits vergangene Woche angekündigt – aber nur, wenn sein Terminkalender es auch zulasse. Am frühen Morgen hatte er es endlich geschafft, einen Blick darauf zu werfen, und siehe da: Er ließ es zu.

Um Punkt 18 Uhr stellte sich Liebich schließlich den zahlreich erschienenen Fotografen und Journalisten und posierte mit seiner Basis demonstrativ vorm Roten Rathaus. Die Massen nahmen dagegen kaum Anteil am Medienereignis Liebich.

Die Demonstranten waren bereits vor der Ankunft des PDS-Landesvorsitzenden zahlreich erschienen. Sowohl vor dem Roten Rathaus, dem Auftaktort des breiten Montagsbündnisses aus PDS, Attac, Gewerkschaften und Sozialverbänden, als auch am Alexanderplatz an der Weltzeituhr. Dort versammelte sich vor allem die maoistische Splitterpartei MLPD, die eine separate Montagsdemonstration angemeldet hatte. Auf beiden Seiten des S-Bahnhofs waren bereits vor Beginn der Demos mehrere tausend Menschen versammelt. Bis Redaktionsschluss war nicht absehbar, welche der beiden Demonstrationszüge größer werden würde.

Dass sich das Demobündnis in der vergangenen Woche gespalten hatte, erwies sich für den PDS-Landesvorsitzenden im Nachhinein als Glück. Während die MLPD wie schon vor einer Woche zur SPD-Zentrale nach Kreuzberg zog, marschierte das SPD-Attac-Bündnis über den Hackeschen Markt zur Grünen-Zentrale am Platz vor dem Neuen Tor.

Der PDS-Landesschef muss sich so zumindest nicht vorwerfen lassen, gegen seinen eigenen Koalitionspartner zu demonstrieren. Liebichs PDS-Bundesvorsitzender Lothar Bisky hatte gestern dagegen nicht mitdemonstrieren wollen: Er wolle nicht in Versuchung geraten, die Demos für die PDS zu instrumentalisieren, sagte Bisky. Seine junge Stellvertreterin Katja Kipping hingegen wollte dabei sei.

Bisky hielt die Partei in ihrem Spagat zwischen Protest und Umsetzung von Hartz IV noch nicht für überdehnt. „Für mich ist die Grenze im Moment nicht erreicht“, sagte er zur Chance eines Koalitionsbruchs in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Aber das müssten die Landesverbände entscheiden. „Ich sehe noch Chancen für Schwerin und Berlin. Aber die SPD wird nicht vorschreiben dürfen, was die PDS bundesweit denkt“, sagte Bisky.

Das würden die Genossen Sozialdemokraten allerdings gern tun. SPD-Fraktionsvize Karlheinz Nolte, vergangene Woche noch „stinksauer“ über die PDS, gab sich gestern zwar etwas zurückhaltender: Natürlich stehe nichts von Hartz IV im Koalitionsvertrag, und deshalb sei auch der Koalitionsfriede nicht in Gefahr. Die PDS müsse aber auch dazu stehen, dass sie das Gesetz umsetzt. „Ich finde es nicht lauter, wenn man mit zwei Zungen spricht“, sagte Nolte. Ein gesondertes Krisengespräch mit Liebich wird es laut SPD-Fraktion nicht geben.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hielt der PDS zwar vor, sie fahre einen „populistischen Kurs“. Zugleich lobte er aber die Arbeit der Berliner PDS-Senatoren Harald Wolf (Arbeit) und Heidi Knake-Werner (Soziales), die mit Engagement an der Umsetzung von Hartz IV arbeiten würden. Wowereit hatte Wolf Mitte Juli ermahnt, nicht im Senatorenamt Parteipolitik zu betreiben. Damals wie gestern wies Regierungssprecher Michael Donnermeyer darauf hin, dass man Parteichef Liebich das nicht verbieten kann.

Während die Koalition ihren Frieden beibehalten wollte, sorgte Hartz gestern bei der CDU für Krach. Denn Fraktionschef Nicolas Zimmer und der Parteinachwuchs Junge Union (JU) gingen auf Distanz zu Landeschef Joachim Zeller.

Zeller hatte sich am Wochenende dafür ausgesprochen, Hartz IV um ein Jahr zu verschieben und einiges abzumildern. Zimmer hingegen forderte eine zügige Umsetzung. Der Landeschef der JU, Tim Peters, sagte, wer jetzt verschieben oder aufweichen wolle, „erweist weder der Partei noch dem Land einen guten Dienst“.