lafontaine, müntefering und die banalität des blöden von RAYK WIELAND
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Als sich Oskar Lafontaine vor ein paar Tagen mit einem Querschläger in der Politik zurückmeldete und forderte, Schröder solle zurücktreten, seine Politik annulliert werden, da hieß es allenthalben, Lafontaine sei eitel. Ein kurioser Vorwurf, denn Eitelkeit gehört zum Berufsbild des Politikers, ja ist seine einzige Voraussetzung. Politiker sind die eitelsten Menschen weltweit, trotz der starken Konkurrenz von Oberärzten, Operndiven und Vorgartenrasentreckerfahrern. Weder mit seinem geistigen noch mit seinen habituellen Voraussetzungen, weder mit seinem Charme noch mit seinem Geschmack, noch mit seiner Frisur könnte je ein Politiker wagen aufzutreten, wäre er nicht eitel. Der Politiker lebt von der eingebildeten Hochschätzung anderer, er hört sich gern reden und findet sich toll im Fernsehen – eine penetrantere Eitelkeit als die des Politikers ist gar nicht vorstellbar.

Es wäre längst an der Zeit, nicht nur Tabakprodukte, sondern auch Politiker mit Warnhinweisen und Banderolen zu versehen – bei jedem Fernsehauftritt der Schriftzug: „Achtung! Schwätzer! Stiehlt Ihre Lebenszeit!“ oder „Vorsicht! Warnung! Das Anhören dieses Politikers verursacht Kopfschmerzen, Depressionen und tödliche Langeweile!“. Ausnahmen, die ansonsten die Regel bestätigen, gibt es bei Politikern keine.

Ein Spezialfall ist der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Hölzerne Unbeholfenheit paart sich bei ihm mit Unteroffiziers-Geblaffe und einer köstlichen Flachzangen-Esoterik. Kürzlich dekretierte er auf der Bundespressekonferenz: „Deutschland muss sich neu aufstellen. Deutschland muss wissen, dass wir nicht automatisch an der richtigen Krümmung des Flusses liegen, sondern dass wir uns anstrengen müssen, um vorne zu bleiben.“ Ein geheimnisvoller Satz, dem viele Fragen folgten. Wo ist die richtige Krümmung des Flusses? Kann man Deutschland entlang des Flusses verschieben? Wieso ist man „vorne“, wenn der Fluss eine Kurve macht? Ist vorne eher am Flussanfang oder am -ende? Und sollte man nicht die Flussbiegung wegen Hochwassergefahr meiden und Deutschland lieber etwas weiter oben postieren? Fragen, die ein Mann wie Müntefering nicht beantwortet. Quasi im Alleingang widerlegt er das berühmte Kleist’sche Diktum von der „allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden“. Müntefering, während er redet, verfertigt überhaupt nichts.

In der aktuellen Debatte um Lafontaines Forderungen hat er wieder Zeugnis von der Banalität des Blöden gegeben und gesagt: „Der geistige Anspruch von Oskar Lafontaine ist sehr mager geworden. Meine Geduld mit ihm ist zu Ende. Ich fordere Oskar Lafontaine auf: Komm auf das Spielfeld und sag, was du willst!“

Lafontaine soll also auf das Spielfeld kommen. Wir wissen nicht, von welchem Spiel Müntefering redet. Es muss eins sein, bei dem man sich etwas wünschen kann, etwa: „Ich will einen Elfer!“ oder „Her mit der Dame!“. Vielleicht ist auch die SPD das Spielfeld, das Müntefering im Auge hat? Oder Deutschland an der Flusskrümmung?

Letzten Endes ist es wurscht, was Müntefering zusammenpalavert. Viel interessanter: Trägt er eigentlich noch seinen süßen roten Schal, der alte Gockel?