Sonne statt Sozialhilfe

Wolfgang Clement: „Das Verrückte ist: Die Idee hatte ich beim Frühstück!“

Wolfgang Clement, nicht eben bekannt als Quell der Heiterkeit, lässt ein Schmunzeln erkennen. Er sei, erzählt der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, bei der Lektüre der Morgenzeitung auf Last-Minute-Reiseangebote gestoßen: „Ich dachte: Herrschaften, für das bisschen Geld kann man ja kaum zu Hause bleiben!“ Und Macher Clement zögerte nicht, stattdessen entstand: Hartz V – „Sonne statt Sozialhilfe“.

Im Kern sieht das neue Gesetz vor: Bezieher des künftigen Arbeitslosengeldes II, die keine Aussicht auf einen Job haben – „und machen wir uns nichts vor: das sind fast alle“ –, werden zu günstigen Konditionen nach Mallorca, Ibiza und in andere Ferienparadiese verfrachtet. Die Mietverträge für ihre Wohnungen in Deutschland werden aufgelöst. „Unsere Fachleute haben das mal durchgerechnet“, erklärt Cleverle Clement, „die haben rausgefunden: Zwei Wochen All-inclusive auf Malle – dafür halten sie einen Sozialschmarotzer in Schwabing oder an der Kö gerade mal vier, fünf Tage am Kacken.“ Renommierte Reiseunternehmen haben bereits ihre Bereitschaft erklärt, großzügige Rabatte zu gewähren. Um eine reibungslose Organisation zu gewährleisten, werden bereits in den kommenden Wochen Fragebögen an die angehenden „Staatsurlauber“ (Clement) verschickt. Ziel der Erhebung: Jeder soll möglichst einen Platz nach seinen individuellen Vorlieben finden, weil nur ein zufriedener Tourist ein friedlicher Tourist ist. „Dies gebietet die Rücksichtnahme auf unsere Partnerstaaten“, so Clement. Denn die hätten signalisiert, mit scharenweise von Berlin aus ins Ausland entsandten Deutschen habe man in der Vergangenheit nicht die besten Erfahrungen gemacht. Daher erging aus dem Kanzleramt unmissverständlich die Weisung: Peinliche Auftritte müssen vermieden werden – eine Notwendigkeit, welche die Bundesregierung über eine legale Abgabe wenigstens weicher Drogen an ihre exterritorialen Bürger nachdenken lässt. Offiziell bestätigt wird dies aus Regierungskreisen jedoch nicht. Bundeskanzler Gerhard Schröder, seit je her Genussmensch, sei jedenfalls „sehr dafür“, berichten Insider.

Hinter den Kulissen geht es indes vor allem um Details. Stichwort: Unterbringung. Die Kapazitäten der regulären Hotels etwa auf den Balearen reichen nicht aus, hunderttausende Alg-II-Sommerfrischler auf einen Schlag zu beherbergen. Doch die Lösung liegt nahe: Plattenbauten aus dem Osten werden demontiert, gen Süden ausgeflogen und bieten dort billiges Quartier. Willkommener Nebeneffekt: Mit den einstmals als „Arbeiterschließfächern“ verspotteten Behausungen verschwinden unansehnliche Keimzellen der Montagsdemonstrationen aus Deutschland. „Wir entziehen dem Land Protestpotenzial“, freut sich Minister Clement denn auch einen Lachsack ans Kinn. In Deutschland werde es also ruhiger, friedvoller, lebenswerter für die Daheimgebliebenen. „Und die verdienen das ja auch, weil sie hart arbeiten. Hm. Tja. Noch.“

ANDREAS MILK