Dates haben, Dosenbier trinken

Ach, für immer 25 sein: The Spinto Band aus Delaware verwandelten den Magnet Club mit seinem wundervollen Collegerock in einen Jungbrunnen und machten Familie, Finanzkrise und Drogenmissbrauch fast vergessen

Ach, über amerikanische Campuswiesen hüpfen! Dates haben, Dosenbier trinken, stundenlang in der Sonne sitzen und die Nase in ein Buch stecken! Ach, für immer 25 sein!

Am Mittwochabend, in Konkurrenz zum Fußball-Pokal und zu O’Death im Lido spielten The Spinto Band aus Delaware, USA im Magnet Club. Die Spinto Band besteht aus nicht weniger als sechs jungen Menschen, männlich, studentisch, nicht eben schön, aber keck. Sie kommen mit drei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Tasteninstrument und zwei Sängern, die sich munter abwechseln und gegenseitig mit Hintergrundgesang unterstützen. Sechs Jungs! Aus einem Kaff irgendwo an der Ostküste und jetzt samt Vorband unterwegs durch Europa! Sechs Jungs und mehr in einem Tourbus! Aber die sechs – sie waren auch einmal sieben – kommen anscheinend prima miteinander aus. Immerhin machen sie schon seit gut zwölf Jahren zusammen Musik und haben bereits fünf bis sechs Platten gemacht, eine davon unter ihrem frühen, Punk vortäuschenden Namen Free Beer.

The Spinto Band aber sind alles andere als Punk. The Spinto Band verzichten auf Rebellionsgesten, auf Stumpfheit und Wut, wie auch auf vieles andere. The Spinto Band machen Collegerock. Wobei noch nichts über den Schwung, den Verve, die Vielfältigkeit und die unglaubliche Melodik ihrer Songs gesagt ist. Und die Tanzbarkeit. Denn die Spinto Band unterlegt ihren Stücken gern einmal einen Discobeat.

Bekannt geworden sind sie mit ihrer 2005 erschienenen Single „Oh Mandy“, die nichts mit Barry Manilow zu tun hat. Ein erfrischendes, tanzbares Popstück mit Mandolineneinsatz, das auch in Berlin gerne im Radio lief. Schönste Songzeile: „Won’t you show me where the money is?“ Die dazu gehörende Langspielplatte „Nice And Nicely Done“ war nicht minder gut und erfolgreich; hätte aber, wie überhaupt die ganze Band, wesentlich mehr Unterstützung verdient gehabt. Ihre neue Platte heißt „Moonwink“ und ist im Vergleich zum Vorgänger eine kleine Enttäuschung. Sie wirkt zu „Nice And Nicely Done“ wie eine Zusammenstellung von B-Seiten. Denn dem überraschend und erfrischenden Konzept von College Rock, der Rivers Cuomo (Weezer) oder Steven Malkmus (Pavement) nur allzu alt aussehen lässt, wurde leider kaum Neues hinzugefügt. Aber im Gegensatz zu Malkmus und Cuomo, die inzwischen tatsächlich alt sind, sind Nick Krill und Thomas Hughes, die beiden Songschreiber der Spinto Band, noch jung und gut aussehend, intelligent, charmant und charismatisch. Was besonders für Nick Krill gilt. Der junge, schlaksige, dunkelhaarige Mann, kürzlich für den Titel des „Sexiest Vegetarian Alive“ vorgeschlagen, erinnert nicht von ungefähr an den jungen David Byrne. Auch stimmlich steht Krill dem großen Meister des Intellektuellen-Pops kaum nach. Dazu spielt er Gitarre, als ob er Squash spielen würde: mit waghalsigen Armkreisern und zackigen Gesten.

Dazu übertrifft sich die Band gern in Gesten, Spökes, dummen Sprüchen und gedrehten Nasen. Texten, die leicht und flüssig sind. Rockpassagen, wirren Ideen, Schmissigkeit. Und zur Belustigung der älteren Campbewohner ausgesuchte Coverversionen. So spielten sie „I Think We’re Alone Now“ (bekannt geworden durch Tiffany, Achtzigerjahre) und den alten Surfklassiker „Telstar“.

Ach, über amerikanische Campuswiesen hüpfen! Dates haben, Dosenbier trinken, stundenlang in der Sonne sitzen und die Nase in ein Buch stecken! Ach, für immer 25 sein! Und den ganzen Ernst, der mit Status, Arbeit, körperlichem Verfall, Familie, Finanzkrise und Drogenmissbrauch zu tun hat, vergessen. Jetzt müsste nur noch jemand sagen, wo denn das Geld steckt.

RENÉ HAMANN