Ärger um das nächste Hartz-Paket

IG Metall warnt vor „konfliktträchtiger Tarifrunde“ wegen der „überzogenen“ Hartz-Vorschläge für Kostensenkung bei VW. Das Unternehmen würde am liebsten den Hausvertrag abschaffen, um in den Werken im Westen konkurrenzfähiger zu werden

AUS WOLFSBURG JÜRGEN VOGES

Kein Double namens „Hartz II“ oder gar „Hartz IV“ – nein, VW-Personalchef Peter Hartz höchstpersönlich hat gestern in Wolfsburg die Marschroute von Volkswagen für die kommenden Verhandlungen über den VW-Haustarif vorgestellt. Die Botschaft von Hartz entsprach den mit seinem Namen mittlerweile verbundenen Befürchtungen. Der Personalvorstand des VW-Konzerns will den 103.000 Beschäftigten in den sechs deutschen Werken der Volkswagen AG nicht nur eine zunächst zweijährige Nullrunde verordnen. Er will vor allem nach und nach vom VW-Haustarif Abschied nehmen, der in den sechs westdeutschen Werken in Braunschweig, Emden, Hannover, Kassel, Salzgitter und Wolfsburg, nicht aber in Ostdeutschland, bei Audi und mehreren kleinere Volkswagen-Töchtern gilt.

Ab kommendem Jahr – so der 7-Punkte-Plan von Hartz – soll auch in den sechs westdeutschen VW-Werken bei Neueinstellungen nicht mehr der Haustarif gelten. Stattdessen soll ein radikal vereinfachtes System von nur noch zwölf Entgeltstufen Anwendung finden, das sich „an das Entgeltniveau der Auto 5000 GmbH“ anlehnt. Bei der Auto 5000 GmbH, bei in Wolfsburg Langzeitarbeitslose einen neuen Job gefunden haben, gilt eine Entlohnung auf dem Niveau des Metall-Flächentarifvertrags und die 35-Stunden- und nicht die 28,8-Stunden-Woche wie in den sechs westdeutschen Werken.

Hartz machte gestern deutlich, dass er den ganzen VW-Haustarif am liebsten sofort gänzlich zu den Akten legen würden. Volkswagen habe gegenüber deutschen Wettbewerbern einen deutlichen Nachteil bei den Personalkosten, sagte er. Pro geleistete Stunde verdiene eine VW-Mitarbeiter deutlich mehr als im Branchendurchschnitt. Er könne sich allerdings nicht vorstellen, dass der Verhandlungspartner IG Metall einen Ausstieg aus dem Haustarif für alle Beschäftigten mitmache.

In der Tat: „Falls der Vorstand bei seinen überzogenen Forderungen bleibt, wird es eine sehr konfliktträchtige Tarifrunde“, erklärte gestern gleich im Anschluss an die Verkündung der Hartz-Vorschläge der Chef des zuständigen IG-Metall-Bezirks, Hartmut Meine. Meine ist auch Verhandlungsführer der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen bei VW. „Auf einen solchen Konflikt sind wir hervorragend vorbereitet.“ Die Gewerkschaft hatte bereits im Vorfeld von VW eine Arbeitsplatzgarantie gefordert. Jetzt wolle man testen, inwieweit das Unternehmen zu einer „nachprüfbaren Bestandsgarantie“ bereit sei.

Diese Forderung nahm Hartz auf: Als Gegenleistung für seinen Katalog der Grausamkeiten bot er der VW-Belegschaft eine Selbstverpflichtung des Konzerns an, die Zahl seiner Arbeitsplätze in Deutschland auf dem jetzigen Niveau von 176.544 zu halten. Um eine Garantie für konkrete Jobs an konkreten Standorten soll es dabei aber nicht gehen. Vielmehr will Hartz auch von den VW-Beschäftigten mehr Mobilität verlangen. Wenn ihr alter VW-Arbeitsplatz eingespart wird, sollen sie irgendwo in Deutschland einen Ersatzarbeitsplatz erhalten. Über den Erhalt von Arbeitsplätzen will das Unternehmen später in seinen jährlichen Geschäftsberichten Rechenschaft ablegen.

Durch das ganze VW-Paket will der Personalchef die Arbeitskosten in den sechs VW-Werken binnen sechs Jahren um 30 Prozent senken. Im vergangenen Jahr lagen sie dort bei 6,8 Milliarden Euro, 2011 sollen es inflationsbereinigt 2 Milliarden weniger sein. Als von Natur aus höflicher Mann garnierte Peter Hartz sein Programm der Grausamkeiten gestern nur mit einer dezenten Drohung: Wenn man den Haustarifvertrag nicht positiv beeinflussen könne, „müssen wir sehen, wie wir die Wettbewerbsfähigkeit herstellen“.