„Guther machen Mädchenmusik“, sagt Julia Guther. Ein gewisser Berend darf trotzdem mitspielen
: Pferde, Rosa, junge Hunde

„Hilfe!!!“, schreibt Julia Guther, und die Ausrufezeichen deuten an, dass, wäre dies kein E-Mail-Interview, ihre angenehme Stimme vielleicht für einen Moment die Mittellage verlassen hätte. Vielleicht wäre das dann mädchenhaft gewesen, aber dazu später. Der Interviewer hatte gelesen, die Platte von Guther sei im „Wohnzimmer“ aufgenommen worden. „Stimmt gar nicht, es war einfach ein Studio in einer Wohnung. Wohnzimmer-Schublade bitte sofort wieder zumachen!“

Okay okay, schon zu. Kann man ja verstehen, dass eine noch nicht so bekannte Musikerin da nur ungern rein möchte. Vor allem, wenn sie, wie Julia Guther, in Berlin-Mitte wohnt – was ja schon fast ein Synonym für Schublade ist – und zusammen mit einem gewissen Berend Musik macht. Etwa der Berend von Paula? Genau. „Paula verheimlichen wollte keiner“, sagt Julia. „Aber natürlich ist es uns wichtig, dass Guther unabhängig beurteilt wird.“ Dass sie eine Band sind und kein Duo, auch auf diesen Unterschied legen sie großen Wert. Schließlich kam die Initiative von Julia. Die hatte den Plan eines klassischen Klavierstudiums aus ziemlich klassischen Gründen – „zu faul zum Üben“ – aufgegeben, in Berlin ein Grafik-Design-Studium begonnen und nebenher „ganz dilettantisch“ am Computer Musik gemacht. „Was furchtbar unaufregend war. Ich mag eher richtige Songs, kein Elektro-Gefrickel. Als ich dann Berend kennen lernte, haben wir haben viel Zeit in seinem Studio verbracht. Ich habe ihn oft genervt, wir sollten mal was zusammen machen. Er sagte: Okay, wenn du die Stücke schreibst.“

Die sind nun fertig und passen gut zum indietronischen Repertoire von Morr Music, wo das Album I Know You Know erscheint. An Lali Puna mag man sich erinnern oder an Julias Lieblingsband: Belle & Sebastian. An Paula dann doch weniger. Sicher, diese Glöckchenklingel- und Gitarrenzirpe-Zartheit über Beatbox-Beats, die sich zu Filigranem verweben. Aber während über Brauweilers Marianne-Rosenberg-Sopran die Discokugel glitzerte, flackert bei Guther heimelig ein selbst gebasteltes Windlicht. Die Melodien sind so schön verwinkelt und ziellos wie die Gedanken, die man sich an einem lauen Abend allein auf der Terrasse macht. Warum man Jungs nicht versteht – und die einen auch nicht („Boys Do Not Think“). Oder wieso man damals den Park in Bristol nicht so schön fand („Complaint“). Wobei die Inhalte der Texte für Julia eh nicht das Wichtigste sind: „Darüber habe ich mir nicht viele Gedanken gemacht. Ich hatte mit deutschen Texten begonnen, aber das fühlte sich furchtbar an, weil ich vorher nie gesungen hatte. Durch das Englische wurde es abstrakter. Das hat der Sache gut getan.“

Eine Schublade hat Julia für ihre Songs auch schon gezimmert. „Mädchenmusik“ steht da drauf. Weil sie ein Mädchen ist. „Mit allem Drum und Dran: Vorliebe für Pferde, Rosa, junge Hunde. Das merkt man unserer Musik an, weil sie so nett und harmlos klingt.“ Äh, wie bitte? Jetzt bloß keine Gender-Debatten. „Ich bin halt ein freundlicher Mensch. Wenn ich etwas mache, wird es meist sehr harmonisch und schön. Wir haben versucht, dem manchmal etwas entgegenzusetzen, aber nicht brachial. Das Resultat bleibt wohlklingend und schön.“ Aber Vorsicht: So sanft diese Musik daherkommt, so widerstandslos diffundiert sie ins Nervensystem. Könnte gut sein, dass sich diese „Sommerplatte“ auch in Herbst und Winter einnistet.

CHRISTIAN MÖLLER

Donnerstag, 21 Uhr, Hafenklang