Schummeln ist cool

Bislang gehörte die Gaunerkomödie nicht unbedingt zum Repertoire des US-Regisseurs Ridley Scott. Mit „Tricks“ darf sich sein Hauptdarsteller Nicolas Cage als Hochstapler und Zwangsneurotiker in diesem Jahr einige Hoffnungen auf den Oscar machen

von DANIEL HAAS

„Sie sind ein Hochstapler!“, muss sich Roy (Nicolas Cage) sagen lassen und korrigiert sofort: ein Hochstapler-Künstler! Der Gauner als Artist, der sowohl Geld als auch Sympathien an sich zu reißen vermag, ist eine kanonische Figur im Kino. Man lässt sich gern betrügen, zumal solche Halunken meist Charme und Chuzpe haben. Und ist Film nicht selbst ein Lügenmedium, Schummeleien, auf die Leinwand projiziert?

Roy jedenfalls ist ein virtuoser Abzocker, vor allem am Telefon, wo er gemeinsam mit Frank (Sam Rockwell), seinem Kompagnon, einfältigen Damen die Dollars aus der Tasche zieht. Ein raffiniertes System, bei dem sich die beiden Betrüger schon mal als staatliche Steuerfahnder ausgeben, um mit Kontonummer und Vollmacht der Geprellten wieder abzuziehen. Kompetenz und Coolness zeichnen Roy aus, jedoch nur, solange er seine Medikamente nimmt. Denn Roy ist ein Ausbund an Ticks und Phobien, ein Zwangsneurotiker, dessen Apartment steriler ist als ein OP. Grund genug, einen Therapeuten aufzusuchen, der prompt Kontaktaufnahme mit der noch nie gesehenen Tochter (Alison Lohman) empfiehlt. Die ist vierzehn, smart und kommt Daddy schnell auf die Schliche.

So geht es los, das Krimi-, Comedy- und Therapiespiel, das mit einer Pointe abschließt, die nur um den Preis des Vergnügens verraten werden kann. Nur gibt es von solchen Momenten nicht allzu viele in diesem Film, der doch permanent auch seine eigene Idee an eine marktgängige Moral verrät. Der Hochstapler als Künstler, das ist von Anfang an auch der Schauspieler im Wechsel seiner Rollen. Gut kalkuliert mit Blick auf eine mögliche Oscar-Nominierung ist Roy der ideale Part für Cage: von Tourette-Syndrom-haften Ausbrüchen bis zur depressiven Apathie kann hier der Schauspieler einer gestörten Existenz Gestalt verleihen.

Dem derangierten Charakter auch noch gaunerhafte Mimikry als Profession beizugeben, macht seine Darstellung zum vollends narzisstischen Projekt. Die Personifikation des geistig und seelisch Kranken hat bei Hollywoodstars immer das Selbstbezügliche des kreativen Muskelspiels. Ob Leonardo DiCaprio („Gilbert Grape“), Edward Norton („Zwielicht“) oder jetzt Cage: Seht, wie sie spielen können, wie viel Kontrolle sie doch haben, das Unkontrollierte zu verkörpern.

Daran wäre nicht Anstoß zu nehmen, würde Regisseur Ridley Scott seinen depravierten Homunculus nicht im Eilverfahren durch die Genesungsmaschine schleusen, deren Stationen sind: betrügen, betrogen werden, verzeihen und lieben. Eine Art vulgärfreudianischer Prozess von Wiederholung, Durcharbeitung und Selbstermächtigung also, an dessen Ende der ehemals schräge Vogel aufrecht einem Job als Teppichhändler nachgeht.

Damit ist die große Chance des Films aber verspielt. In einer Welt versachlichter Beziehungen und wirtschaftlicher Zwänge ist Hochstapelei nur die Überbietung der Verhältnisse mit ihren eigenen Mitteln – man kultiviert eben das falsche Leben bis an die Grenze der Wahrhaftigkeit. Dieses Verfahren therapeutisch einzuebnen mit einem Liebeskonzept, das seine Akteure – Vater und Tochter – letztlich nur instrumentalisiert, ist ein effizienter, aber schäbiger Trick.

„Tricks“. Regie: Ridley Scott. Mit Nicolas Cage, Sam Rockwell, Alison Lohman, Bruce McGill, Bruce Altman u. a. USA 2003, 120 Min.