Waterloo für Vertriebenenchefin in Warschau

Polen lehnen die Pläne der deutschen Vertriebenenchefin Erika Steinbach für ein Zentrum gegen Vertreibungen ab

WARSCHAU taz ■ Auch in Warschau kann man ein Waterloo erleben. Erika Steinbach (CDU), die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), hat dies jetzt erlebt. Auf Einladung der Rzeczpospolita, Polens zweitgrößter Tageszeitung, war sie nach Warschau gekommen, um das in Berlin geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“ vorzustellen. „Ich bin überrascht über die polnischen Reaktionen“, begann sie ihren Auftritt mit einem Kommentar über Polens hitzige Debatte über Täter und Opfer des Zweiten Weltkrieges. „Ohne Hitler hätte es die Vertreibung der Deutschen nicht gegeben.“

Schon bei diesem Satz regte sich Unmut im voll besetzten Saal. Zwischenrufe wie „Ohne Hitler wären wir nicht aus Lemberg vertrieben worden! Ohne Hitler hätte es keinen Krieg gegeben! Die Deutschen haben ihn doch demokratisch gewählt!“, machten der BdV-Chefin früh klar, dass ihr Konzept einer Dauerausstellung für die Vertreibung der Deutschen und Wechselsausstellungen für die Vertreibungen der anderen Völker in Polen abgelehnt wird.

Der frühere Ministerpräsident Jozef Oleksy hielt Steinbach vor, dass sie das Wort „europäisch“ völlig falsch verwende, da sie keine Ahnung von Europa habe. Sie kenne nicht einmal Deutschlands Nachbarn Polen. Anders könne er sich ihre Überraschung über die heftigen Reaktionen in Polen auf das Zentrum gegen Vertreibungen nicht erklären. „Unsere Ängste haben mit Ihnen zu tun, Frau Steinbach“, setze er hinzu. „Sie haben als CDU-Bundestagsabgeordnete den Grenzvertrag zwischen Polen und Deutschland abgelehnt. Sie haben wiederholt behauptet, dass Polen nicht der EU beitreten kann, weil es angeblich die Menschenrechte nicht achte.“

Der liberale Politiker Donald Tusk, der seit Jahren für die deutsch-polnische Versöhnung eintritt, zeigte sich betroffen über den scharfen Ton der polnischen Diskussion der letzten Wochen. Tatsächlich haben die Berichte, dass die Deutschen sich nun endlich auch als „Opfer des Zweiten Weltkriegs“ sehen wollen – als Vertriebene, Ausgebombte, Vergewaltigte und Kriegsgefangene in Russland –, in Polen nicht nur Ängste geweckt, sondern auch das Propaganda-Bild vom Deutschen als ewigem Nazi wiederbelebt. „Sie haben mit dem Zentrum gegen Vertreibungen dazu beigetragen, dass wir in Polen nun wieder eine solch hasserfüllte Diskussion haben“, warf er Steinbach vor. „Wir haben hier in den letzten Jahren so viel getan, um Mitgefühl für die deutschen Vertriebenen zu wecken. Das ist uns gelungen. Und jetzt kommen sie und reißen die gerade vernarbten Wunden der Polen wieder auf. Die Deutschen tragen aber mehr Verantwortung dafür, dass die Versöhung zwischen unseren Völkern gelingt.“

Auch Jerzy Montag (Grüne) und Dietmar Nietan (SPD) ließen kein gutes Haar am geplanten Zentrum. Sie sagten in Warschau, dass der BdV „nicht für die Deutschen und auch nicht für den Bundestag“ spreche. Ein Vertriebenenmahnmal neben dem Holocaustmahnmal in Berlin, der Hauptstadt Deutschlands, wäre „politisch verheerend“, so Montag. „Wir brauchen mehr Einfühlungsvermögen füreinander“, meinte auch Nietan. „Ein solches Zentrum kann nicht unter deutscher Führung und mit dem Deutungsmonopol des BdV entstehen. Wenn wir Frieden und Versöhnung in Europa wollen, müssen wir ein solches Zentrum von Anfang europäisch konzipieren. Miteinander, nicht gegeneinander.“ GABRIELE LESSER