Hartz-Gegner streiten um Marschroute

Entgegen dem bundesweiten Trend verzeichnet die Kölner Montagsdemo immer noch steigenden Zulauf. Über tausend Menschen marschieren zur CDU. Dafür gibt es jetzt auch hier erste Auseinandersetzungen zwischen demonstrierenden Gruppen

Von Susanne Gannott

„Ihr macht genau das Richtige: Ihr wagt Demokratie!“, rief Kölns CDU-Vorsitzender Walter Reinarz den Montagsdemonstranten zur Begrüßung zu. Die Sympathie der Menge gewann er damit allerdings nicht. Mit „Heuchler, Heuchler“-Rufen quittierten die Demonstrierenden seine Strategie, die Hartz-Gesetze prinzipiell gutzuheißen, dann aber die „handwerklichen Fehler“ bei einzelnen Punkten allein der Bundesregierung in die Schuhe zu schieben. Und auch Reinarz‘ Lobpreisung des „Kölner Modells“, das als Vorbild für Hartz bereits erfolgreich umgesetzt werde, konnte die Wut der Menge über „die da oben“ nicht wirklich besänftigen. Wie schon in der vorigen Woche bei den Grünen beendeten Pfiffe und jede Menge rote Karten nach wenigen Minuten den Auftritt des Politikers.

Allerdings wurden im Verlauf von Reinarz‘ Rede bei der dritten Kölner Montagsdemonstration, die diese Woche der Kölner CDU-Zentrale am Holzmarkt einen Besuch abstattete, erstmals auch Differenzen zwischen den Organisatoren der Kundgebung und einigen teilnehmenden Gruppierungen deutlich. So versuchten Demonstrierende aus dem Umfeld des Kölner Wahlbündnisses „gemeinsam gegen sozialraub“, den Politiker per Megaphon zu übertönen. „Viele sind unzufrieden, dass auf der Montagsdemo so viele Vertreter von Parteien reden dürfen“, sagte Claus Ludwig vom Wahlbündnis der taz. Nach seiner Auffassung „regiert“ Thomas Münch vom Kölner Arbeitslosen Zentrum KALZ die Kölner Demo „wie sein eigenes Landgut“. Für die kommende Woche kündigte Ludwig daher an, die von den Organisatoren anvisierte Demonstrationsroute zur Industrie- und Handelskammer abzuändern. „Wir gehen weiter zu den Gewerkschaften, um hier verstärkt Druck zu machen.“

Für Münch kommt mehr Mitsprache für das Wahlbündnis nicht in Frage. Der Mann vom KALZ wirft den „trotzkistischen Splittergruppen“ vor, die Montagsdemo-Bewegung für ihre Zwecke vereinnahmen zu wollen und damit zu spalten. Schließlich seien die meisten Leute auf der Demo „ganz normale Menschen“, die mit der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands), der SAV (Sozialistische Alternative) oder dem Wahlbündnis nichts zu tun haben wollten.

Die Organisatoren der Demo, also KALZ, Attac und einige Erwerbslose, seien sich daher auch auf ihrem letzten Vorbereitungstreffen einig gewesen, dass man „diese Linksgruppierungen“ nicht dabei haben wolle. „Sie sind kein Bestandteil der Bewegung und sollen sich zum Teufel scheren.“ Dass die Kölner Montagsdemo nicht von Parteien und Wählerbündnissen vereinnahmt werden solle, betonte Münch auch bei der Auftaktkundgebung am Roncalliplatz vor Demonstranten – und erntete dafür viel Beifall.

Überhaupt haben sich die Parteien und Wählerbündnisse in Köln bislang weitgehend zurückgehalten – anders als etwa in Berlin, wo es wegen der starken Einmischung der MLPD bereits zwei parallele Montagsdemos gibt. So sind PDS, MLPD, Attac oder die „Föderation der türkischen Arbeitervereine“ (DIDF) in der Domstadt zwar sichtbar vertreten, Kundgebung und Demozug werden jedoch vorrangig von den Erwerbslosen selbst organisiert und angeführt.

Damit das so bleibt, rief „Marie von den Erwerbslosen“ die Teilnehmer auf, sich aktiv an der Organisation zu beteiligen und überall in der Stadt die neuen Plakate mit dem Slogan „Freiheit, Gleichheit, Arbeit?“ aufzuhängen. „Wir machen weiter und werden immer mehr“, versuchte sie die Menge für die kommenden Demonstrationen zu motivieren.

Tatsächlich hat sich in Köln – entgegen dem bundesweiten Trend – auch in dieser Woche die Teilnehmerzahl der Demo auf rund 1.000 verdoppelt. Und auch das Kölner Umland wird langsam angesteckt: Erstmals gingen vorgestern in Leverkusen rund 50 Leute gegen die Hartz-Gesetze auf die Straße.