Wowereit wird kompetenter

Davon geht sein Senatskanzleichef aus: Zum Thema Richtlinienkompetenz des Regierenden werde bis 2006 etwas passieren. Das überrascht die PDS. Denn die lehnt solchen Machtzuwachs weiter ab

VON STEFAN ALBERTI

Geht es nach André Schmitz, ist die Sache mit der Richtlinienkompetenz klar. „Ich denke, da wird im Laufe dieser Legislaturperiode noch etwas passieren“, sagte der Senatskanzleichef gestern zu Plänen der SPD, ihren Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit mit mehr Macht auszustatten. Das kommt sehr überraschend für den Koalitionspartner PDS. „Wir lehnen das weiter ab, an unserer Haltung hat sich nichts geändert“, sagte Fraktionssprecherin Kathi Seefeld.

Hintergrund ist das fortdauernde Streben der SPD nach mehr Einfluss für Wowereit. „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik“ – so einen Satz wie in Artikel 65 des Grundgesetzes hätten die führenden Sozialdemokraten auch gern auf Landesebene. Denn anders als sein Parteifreund Gerhard Schröder und fast alle deutschen Ministerpräsidenten ist Wowereit in seiner Regierung nominell nicht absoluter Chef im Ring. „Der Regierende Bürgermeister bestimmt im Einvernehmen mit dem Senat die Richtlinien der Regierungspolitik. Sie bedürfen der Billigung des Abgeordnetenhauses“, sagt die Landesverfassung. Zentraler Punkt: Das Landesparlament, nicht der Berliner Regierende, bestimmt die Senatsmitglieder und kann sie auch abwählen. Missliebige oder wenig erfolgreiche Senatoren auszutauschen, anderswo als Kabinettsumbildung gängig, liegt nicht in Wowereits Macht. Das zu ändern, hatte bereits vor Jahren die vom ehemaligen CDU-Bundesminister Rupert Scholz geführte Kommission zur Staatsaufgabenkritik vorgeschlagen.

Selbst unter den drei Stadtstaaten ist Berlins Regierender Bürgermeister unterprivilegiert. Allein Bremens Landeschef Henning Scherf (SPD) ist in der gleichen Lage wie Wowereit. Daran soll sich nach früheren Diskussionen vorerst auch nichts ändern. „Dazu gibt es keine aktuelle Debatte, still ruht der See“, sagte Bremens Senatssprecher Klaus Schroeder gestern.

Hamburgs erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hingegen hatte 2003 die Macht, Innensenator Ronald Schill in aller Schnelle zu entlassen, als der ihn unter Druck setzen wollte. In Berlin wäre dafür ein Parlamentsbeschluss notwendig gewesen. Hamburg hatte 1997 seine Verfassung geändert und dem Landeschef, vormals auch nur Erster unter Gleichen, die Richtlinienkompetenz gegeben.

Für SPD-Fraktions- und Landeschef Michael Müller ist die Sache klar. „Ein Regierungschef braucht Richtlinienkompetenz, er soll Senatoren berufen und abberufen können“, sagte er der taz schon vor Wochen. Stefan Liebich, Fraktionschef und Vorsitzender der Berliner PDS, hält das weiter nicht für notwendig. „Wowereit weiß sich auch so im Senat durchzusetzen“, sagte Liebich gestern, der Regierende Bürgermeister brauche dazu keine formelle Kompetenz. Dass die Fachsenatoren eigenständig agieren können, betrachtet er als Vorteil.

So wie die Regierungskoalition ist auch die Opposition in dieser Frage gespalten. CDU und FDP würden die Richtlinienkompetenz befürworten, die Grünen lehnen sie ab. Es zeichne die Berliner Verfassung aus, dass das Parlament die Senatoren wähle, sagte Grünen-Fraktionssprecherin Corinna Seide.

Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit von 94 der 141 Abgeordnetenhausmitglieder nötig. SPD, CDU und FDP aber kommen zusammen nur auf 93 Stimmen, bräuchten den vormaligen FDP-Mann und jetzigen fraktionslosen Abgeordneten Wolfgang Jungnickel. Dass die SPD die Änderung gegen ihren Koalitionspartner durchboxt, gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich. PDS-Chef Liebich verwies auf den Koalitionsvertrag: Der sage klar, dass SPD und PDS nur zusammen stimmen.