Der Staat macht die Verbraucher ratlos

Vor drei Jahren war Verbraucherpolitik groß in Mode. Heute sparen die Länder die Verbraucherschutzorganisationen kaputt: 2004 wurden die Mittel um zehn Prozent gekürzt, obwohl die Arbeit zunahm. 2005 wird weiter gestrichen. „Keine Strategie“

VON HANNA GERSMANN

Als die Kühe irre wurden – und die Bürger auch –, entdeckte die Politik den Verbraucherschutz. Doch heute, gut drei Jahre nach der großen BSE-Krise, zieht sich der Staat aus der Verantwortung zurück und kürzt drastisch die Zuschüsse. Die 16 Verbraucherzentralen der Republik erhalten 2004 aus den Haushalten der Länder zusammen nur noch 24 Millionen Euro. Das sind 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Und schon jetzt ist sicher: 2005 wird weiter gespart. „Das rächt sich volkswirtschaftlich“, warnte nun Edda Müller, Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv), gegenüber der taz.

Das von vielen beklagte „Angstsparen“ der Konsumenten höre nicht auf, wenn sie im Konsumdschungel allein gelassen würden. Und weil mancher jetzt aus Unwissenheit seine Altersvorsorge in den Sand setze, werde er auch in 30 Jahren keinen Cent mehr ausgeben.

Dabei sollte alles anders, alles besser werden. Als der Rinderwahnsinn 2000 die deutschen Ställe erreichte, musste Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke gehen. Dafür regierte die grüne Renate Künast fortan nicht nur als Agrar-, sondern auch als Verbraucherministerin. Zahlreiche Länder wie Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verpassten dem Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium den Zusatz „Verbraucher“. Und irgendwo tauchte in jedem Parteiprogramm der „Verbraucherschutz“ auf. „Sonntagsreden“, sagt vzbv-Sprecher Christian Fronczak heute.

Denn mehr denn je streichen die Landesregierungen – egal welcher Couleur – die Zuschüsse zusammen. Im rot-rot regierten Mecklenburg-Vorpommern wurden die Mittel halbiert, die Verbraucherzentrale ging pleite. Mittlerweile agiert sie mit neuem Träger, aber deutlich abgespeckt. Auch im unionsregierten Hessen entging die Verbraucherberatung nach einer 35-Prozent-Kürzung nur knapp dem Aus. Und selbst im rot-grünen Nordrhein-Westfalen werden die Zahlungen dieses und nächstes Jahr um zehn Prozent gesenkt. Bundesweit sind von den 250 Beratungsstellen, die es Mitte der 90er-Jahre gab, nur noch knapp 200 übrig. Sie fehlen nicht nur auf dem Land, sondern auch in großen Städten – etwa in Braunschweig, Erlangen, Offenbach.

Dabei steigt der Bedarf. Die Verbraucherzentralen berieten allein im Jahre 2002 3,7 Millionen Menschen – und damit 15 Prozent mehr als im Vorjahr. In über tausend Fällen zogen sie gar vor Gericht. Zu oft versteht der Verbraucher die Welt nicht mehr – und „nicht immer hilft das Internet weiter“, erklärt vzbv-Mann Fronczak. Vor allem Alters- und Gesundheitsvorsorge, Handyverträge und Internetzugänge, Kredite und Baufinanzierungen machten vielen zu schaffen. Ohnehin ist das Verbraucherrecht kompliziert, basiert auf Richtersprüchen und Einzelgesetzen.

Doch anders als in Großbritannien, Frankreich oder den Niederlanden gibt es in Deutschland keine staatlichen Verbraucherschutzbehörden – die Lebensmittelkontrolle ausgenommen. Dafür gibt es die Verbraucherzentralen. Nur tragen sich diese nicht allein. Beratungsgebühren oder der Verkauf von Ratgebern reichen dazu nicht. Die Förderung ist schon seit langem Sache der Länder – und das wird auch so bleiben. Renate Künast sagt: „Wir können und wollen nicht alle Aufgaben übernehmen, die die Länder haben.“ Und Gerd Abel von der Verbraucherinitiative gibt ihr Recht: „Springt der Bund einmal ein, ziehen sich alle Länder zurück.“

Renate Künast macht also alles richtig? Nein!, sind sich vzbv, Verbraucherinitiative und auch Foodwatch einig. Zwar finanziert der Bund die Stiftung Warentest und betreut Projekte mit hübschen Namen wie „Fit im Alter“ oder „Fit-Kid“. Jedes Jahr fließen insgesamt 120 Millionen Euro aus Länder- und Bundesmitteln in die Verbraucherarbeit. „Doch die Strategie fehlt“, sagt Christian Fronczak. Der vzbv fordert deshalb eine Verbraucherministerkonferenz. Außerdem solle Renate Künast dafür sorgen, dass schon Kinder in der Schule über Garantien oder Rückgaberechte aufgeklärt würden. Und schließlich müsse sie in ihrem Haus mehr Geld zugunsten der Verbraucher umleiten – am besten noch vor dem nächsten Skandal.

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