Gesundheitsreform verteuert Arzneikosten

Verkehrte Welt: Pharmabranche erwartet 1,6 Milliarden Euro mehr Umsatz von den Krankenkassen durch die Reform

BERLIN taz ■ Die geplante Gesundheitsreform sieht vor, dass künftig nur noch rezeptpflichtige Medikamente vom Arzt verschrieben werden dürfen. Hausmittelchen wie den Hustensaft und die Nasentropfen soll der Patient künftig in jedem Fall selbst bezahlen. Dadurch erhofft sich der Gesetzgeber eine Senkung der Kosten. „Denkste“, sagt der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI). Dessen Hauptgeschäftsführer erwartet ein Umsatzplus von den Krankenkassen von 1,6 Milliarden Euro.

Das klingt paradox – und lässt sich dennoch plausibel begründen. Denn bei vielen Erkrankungen, die bequem mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten kuriert werden könnten, werden Ärzte künftig weiter Mittel verschreiben – nur eben solche, die noch verschreibungspflichtig bleiben. Da diese aber im Schnitt mit 36 Euro dreimal so teuer sind wie das durchschnittliche rezeptfreie Mittel, rollen höhere Kosten auf die Kassen zu als erhofft. Gestützt auf Umfragen bei Ärzten errechnete der BPI so die 1,6 Milliarden Euro.

Trotzdem bricht beim BPI noch kein Jubel aus. Dort fürchtet man vor allem um seine mittelständischen Mitgliedsfirmen. Denn die leben vor allem von den rezeptfreien Hausmitteln, die künftig wohl weniger Absatz finden. Denn selbst wenn der Doktor seinem Patienten empfiehlt, einen verschreibungsfreien Hustensaft selbst zu kaufen, wird der oft nicht zugreifen – weil viele einkommensschwache Patienten lieber nachts herumhusten, als Geld auszugeben.

Auch die von den Gesundheitsreformern verlangten Rabatte stinken dem BPI. Diese gingen zu Lasten der Mittelständler, die meist mit einer geringeren Umsatzrendite auskommen müssen als die Großen. URB