kurzkritik: özlem sulak & kathrin sonntag
: Emigrieren aus Wohnzimmern

Gegensätzlicher könnten die derzeit in der Gesellschaft für aktuelle Kunst zu sehenden Ausstellungen kaum sein: Özlem Sulak, eine in Bremen arbeitende Künstlerin, ist mit den Video-Arbeiten „Aufenthaltserlebnis“ dem eigenen Migrationshintergrund auf den Spuren. Die Berlinerin Kathrin Sonntag hingegen stellt Form- und Farbwahrnehmungen des Alltags in Frage und nennt das Ganze in Anlehnung an Mary Poppins‘sche Kitschfilme „Superkalifragelistigexpialigetisch“.

Wenn eine ganze Wand sich der Bedeutung der Worte „uga uga“ widmet, erwischt sie zielsicher den Reflexionsmoment des Betrachters. Leider gelingt Sonntag dies bei den Objekten und Versuchsanordnungen nicht, wo gestapelte Tische und überdimensionale Rahmen belanglos im Raume stehen bleiben.

Ein Ereignis sind der radikal subjektive Dokumentarismus Özlem Sulaks und ihre Familiengeschichte. Großmutter und Großtante erzählen ihr Übersiedeln aus Ex-Jugoslawien in die Türkei, Sulak selbst sucht in „Vratnik 13“ die Überbleibsel ihrer Familie im heutigen Sarajevo, geleitet von Handy-Mitteilungen der Verwandtschaft. Die Distanz zur Künstlerin gleicht Null, es ist, als liefe man selbst durch triste bosnische Landstriche. Sulaks Ansatz: Will man Empathie erzeugen, lassen sich Migrationsgeschichten so und nur so erzählen. Im Wohnzimmer der Sulaks sitzend, weiß der Zuschauer, wie richtig sie damit liegt. JENS UTHOFF

GAK, Bis 26.4.