: Kommune bleibt männlich
Gerade einmal ein Viertel der kommunalen Ehrenämter und nur fünf Prozent der Bürgermeister- und Landratsposten sind weiblich besetzt. UTA GENSICHEN hat vier Kommunalpolitikerinnen zugehört
Helga Maria Nießen, 55, Bürgermeisterin von Kellinghusen: „Ich kam von der Arbeitslosigkeit ins Bürgermeisteramt. In meiner Heimat in Leonberg bei Stuttgart habe ich nichts gefunden. Über 600 Bewerbungen in 20 Berufen in Deutschland, Österreich und der Schweiz habe ich geschrieben. Ich war Ende 40 und man sagte mir, ich sei zu alt für den Markt. Ich war geschockt. Dann habe ich die Stellenanzeige für das Bürgermeisteramt in Kellinghusen gesehen und bin dorthin gefahren. Meinen Wahlkampf habe ich ganz alleine gemacht, ich kannte ja niemanden. Mehrere Wochen bin ich von Tür zu Tür gegangen und habe Klinken geputzt. Seit fünf Jahren bin ich die erste weibliche Bürgermeisterin der Stadt. Die erste Zeit war hart. Meine Gegner haben mich stark kritisiert. Wahrscheinlich ist es für Männer furchtbar, wenn Frauen von außen kommen, nicht einmal Mitglied in einer Partei sind und Politik machen wollen. Aber wir brauchen dringend gemischtere Verhältnisse, also mehr Frauen und mehr junge Leute. Ich erlebe es selbst ständig, dass Männer in den Sitzungen immer sehr dominant sind und lange und emotional reden. Frauen dagegen werden oft unterbrochen. Kommunalpolitik ist den meisten Frauen zu zäh. Sie haben keine Lust auf Intrigen und meinen, sie können das Amt nur schwer mit Familie und Beruf vereinbaren. Man muss unheimlich viel Kraft haben und man braucht einen starken Rückhalt durch die Familie oder den Partner. Allerdings bin ich gegen eine Frauenquote in der Politik. Es ist ein guter Ansatz, aber letztendlich zählt doch die Kompetenz – egal ob bei einem Mann oder einer Frau.“
Mit einer Kanzlerin müssen sich deutsche Gleichstellungsbeauftragte um den Sektor Politik nun wirklich nicht mehr sorgen, könnte man meinen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zwei aktuelle Studien belegen, dass es mit weiblicher Beteiligung an der Politik nicht weit her ist.
Elke Streckfuß, 63, Mitglied im Stadtrat Salzgitter, SPD-Fraktion: „Parteimitglied bin ich schon sehr lange. Weil ich allein erziehend war, konnte ich mich leider nicht aktiv betätigen. Seit 13 Jahren sitze ich im Ortsrat. Nach einer Legislaturperiode bin ich dann für den Stadtrat aufgestellt worden. Zum Glück haben wir in der SPD die Frauenquote von 40 Prozent – das war für mich die einzige Chance, in den Rat zu kommen. Der Anfang in der Kommunalpolitik ist schwer. Ich habe ganz schnell gemerkt, wer das Sagen hat – die Männer. Als Frau muss man sich sehr kompetent machen. Natürlich gibt es männliche Strukturen im Stadtrat. In den Ratssitzungen zum Beispiel sind überwiegend die Männer aktiv, sie halten meistens die Vorträge. Das waren für mich komplett neue Erfahrungen. Im Lehrerberuf sind Frauen gleichgestellt. In der Kommunalpolitik aber müssen Frauen sich ein dickes Fell anlegen und bereit sein, zu kämpfen. Was Frauen daran hindert, an der kommunalen Politik mitzuwirken, ist vor allem der Zeitaufwand. Um gewählt zu werden braucht man einen gewissen Bekanntheitsgrad, den Männer durch ihre Vereinstätigkeit, zum Beispiel bei der Feuerwehr oder im Schützenverein bekommen. Frauen fehlt für so etwas doch die Zeit. Deshalb werden sie auf den Wahllisten auch nicht auf die aussichtsreichen Positionen gesetzt. In Salzgitter haben es Frauen wahrscheinlich ganz besonders schwer, gegen die männlichen Strukturen anzukommen. Deshalb gibt es auch so wenige. Es ist aber wichtig, dass Frauen in die Politik hineinkommen. Im Schulbereich zum Beispiel sehen Frauen die Dinge ganz anders als Männer. Aber auch in der Wohn- und Stadtplanung ist es wichtig, dass Frauen miteinbezogen werden und man sie nicht immer nur auf die soziale Schiene abschiebt.“
Die Untersuchungen der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bundesfamilienministeriums zeigen: Besonders auf kommunaler Ebene sieht es in puncto Gleichstellung düster aus. Zwar deckt sich der Frauenanteil von rund 30 Prozent in den Räten westdeutscher Großstädte mit dem Anteil in den Landesparlamenten und im Bundestag. Doch ist die Spanne zwischen den einzelnen Städten enorm.
In Lübeck sind knapp 39 Prozent der Stadtvertreter Frauen. In Salzgitter jedoch beträgt der Anteil nur 15 Prozent. Spitzenreiter im Gender-Ranking ist Frankfurt. Dort werden 43 Prozent der Ratsmandate von Frauen besetzt. Uta Kleitzing von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) hat dafür eine Faustregel entwickelt: Je kleiner die Stadt sei, desto kleiner sei dementsprechend der Frauenanteil in der Kommunalpolitik. „So wie die Bevölkerung zusammengesetzt ist, so sollten aber auch die Gremien zusammengesetzt werden“, sagt Kleitzing, die an der Studie des Bundes mitgewirkt hat. Während Frauen im Bereich der ehrenamtlichen Mandate bundesweit mit einem Viertel vertreten sind, liegt der Anteil bei hauptamtlichen Posten wie Oberbürgermeisterin oder Landrätin bei knapp fünf Prozent.
Angela Dankwardt, 53, Bürgermeisterin von Jever: „Bis zu meiner Aufstellung durch die SPD im Februar 2005 habe ich mich mit Kommunalpolitik nicht viel beschäftigt. Ich war immer politisch interessiert, aber eher als Konsumentin, nicht aktiv. Vor der Wahl habe ich als Verwaltungsleiterin bei der Bundesagentur für Arbeit gearbeitet. Ich war dort seit 1974 tätig. Für das Amt der Bürgermeisterin habe ich mein Beamtenverhältnis aufkündigen müssen. Natürlich schlägt man damit eine Tür zu, aber die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Mir war es besonders wichtig, dass mein Mann die Entscheidung mitträgt. Als Bürgermeisterin gibt man ja doch ein Stück weit sein Privatleben auf. Ich denke, Frauen trauen sich nicht viel zu, dabei sollten sie es aber unbedingt tun. In meinem Beruf habe ich oft erlebt, dass Männer da irgendwie anders sind. Fragt man sie während eines Vorstellungsgesprächs, ob sie Spanisch sprechen, sagen sie ‚ja‘. Eine Frau hingegen antwortet ‚ja, aber ich habe nur Grundkenntnisse‘. Frauen sind immer viel zu ehrlich zu sich selbst. Mir selbst ist die Gewöhnung an die männlich dominierte Kommunalpolitik nicht schwer gefallen. Ich habe ja schon immer in einer Männerdomäne gearbeitet und fühle mich wohl dort. Anders als Männer, werden Frauen aber mehr beäugt und ganz anders wahrgenommen. Im politischen Alltag sind Männer meistens selbstbewusster und treten offensiver auf. Die sagen auch mal etwas Unüberlegtes und es wird ihnen nicht übel genommen. Dafür haben Frauen ein größeres Gerechtigkeitsempfinden. Bevor ich etwas sage, denke ich darüber nach, wem ich damit auf die Füße trete. Obwohl Frauen immer noch unterrepräsentiert sind, bin ich nicht für Quoten. Es ist doch schade, nur darauf reduziert zu werden.“
Das Bundesfamilienministerium hat kürzlich die Kampagne „Frauen Macht Kommune“ ins Leben gerufen, um für mehr weibliches Engagement in kommunalpolitischen Ämtern zu werben. Kernstück der Aktion ist ein roter Teppich, der unter anderem am 26. März im schleswig-holsteinischen Kellinghusen ausgerollt wird. UG
Karin Hoffmann, Mitglied der Stadtvertretung Schwerin, CDU-Fraktion: „Anfang der Neunziger Jahre habe ich noch in einer Kindertagesstätte gearbeitet. Aus gesundheitlichen Gründen habe ich meinen Beruf allerdings aufgeben. Während meiner Kündigungszeit arbeitete ich in der Schweriner Wahlbehörde - das war mein erster Kontakt zur Politik. Dort habe ich entdeckt, dass es nicht nur um hochgestochene Themen gehen muss, sondern um das Geschehen vor Ort. Ich fand es aufregend, etwas mitgestalten zu können. Kurze Zeit später bin ich dann in die CDU eingetreten. Seitdem war und bin ich aktiv unter anderem im Kreisvorstand tätig, sitze in verschiedenen Ausschüssen und mittlerweile zum zweiten Mal in der Stadtvertretung. Die Arbeit macht mir Spaß. Hauptberuflich arbeite ich als Ehrenamtskoordinator in Vollzeit für das Deutsche Rote Kreuz. Dieses Pensum schaffe ich nur, weil ich keine kleinen Kinder mehr habe. Mein Sohn ist mittlerweile 28 Jahre alt. In der Schweriner Kommunalpolitik habe ich nicht das Gefühl, dass Frauen unterrepräsentiert sind. Frauen haben sich im Osten ja seit jeher eingebracht. Bei uns haben sie es nicht schwer und ein dickes Fell braucht man hier auch nicht. Aber Sachkompetenz und Engagement sollte man mitbringen. Von Frauenquoten halte ich nichts. Ich will akzeptiert werden, weil man meine Arbeit schätzt und nicht, um eine Quote zu erfüllen.“