Grüne wollen dazu verdienen

Kleine Regierungspartei reagiert auf große Proteste gegen Hartz IV. Grüne Politiker fordern bessere Zuverdienstmöglichkeiten und Mindestlöhne. Bütikofer: „Wir sind das soziale Gewissen der Nation“

BERLIN taz ■ Im Streit um die Reformpolitik der Regierung nimmt die Zahl der Grünen-Politiker zu, die Änderungen an Hartz IV in Aussicht stellen. „In anderen Ländern hat man für ähnlich schwere Arbeitsmarktreformen drei bis fünf Jahre gebraucht“, erklärte der Sozialexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Markus Kurth. „Ein schrittweiser Verbesserungsprozess wäre keine Schande.“

Angesichts der Proteste gegen die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe wäre „ein Signal hilfreich, dass man an Einzelpunkte noch mal ran will“, sagte Kurth der taz. Entweder in diesem Jahr, spätestens aber nach einem Jahr seien Änderungen nötig. Als wünschenswert nannte er höhere Zuverdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose, höhere Schonvermögen zur Altersvorsorge und ein Mindestlohngesetz.

Fraktionsvize Christian Ströbele verlangte, auch die Regelung zum Partnereinkommen zu ändern. Dies hatte auch die sächsische Spitzenkandidatin Antje Hermenau verlangt. Bisher ist vorgesehen, dass überhaupt keine staatliche Unterstützung mehr an Menschen bezahlt wird, deren Partner zu viel verdienen.

Ströbele erklärte, er werde auf den Montagsdemonstrationen weiter mitmarschieren. „Ich unterstütze nicht die Forderung, Hartz IV insgesamt zu kippen“, sagte Ströbele im taz-Interview. „Aber ich will, dass soziale Härten, die in diesen Regelungen enthalten sind, verändert werden“ – „und ich sage voraus, es wird Veränderungen geben.“

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Werner Schulz, will sich mit „Nachbesserungen und Flickschusterei“ gar nicht mehr aufhalten. Das Hartz-IV-Gesetz müsse „nach vorn hin“ überwunden werden, sagte Schulz der taz. „Wir brauchen eine soziale Grundsicherung.“

Die Grünen-Spitze bekräftigte gestern zwar erneut ihre Unterstützung für den Kurs des Kanzlers, Hartz IV zu verteidigen und es erst einmal bei den zwei kleinen Änderungen von Mitte August zu belassen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte: „Es geht jetzt darum, das Gesetz umzusetzen.“ Allerdings stellte auch sie in Aussicht, nach ein oder zwei Jahren die Mechanismen zu überprüfen, und nannte die Zuverdienstmöglichkeiten. Parteichef Reinhard Bütikofer sagte, die Grünen verstünden sich „nicht als Partei, die Politik macht für die, die viel im Geldbeutel haben“. Die Grünen seien vielmehr „das soziale und ökologische Gewissen der Nation“.

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