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: Kitsch und Keusch

Ein herrlich heller Morgen, fast am Meer, sprich an der Elbe. Ich ging den kleinen Weg vorn am Ufer und mir entgegen eine Frau. Der Weg war so schmal, dass ich mich seitlich in die Uferböschung drängte, im Bestreben, sie vorbeizulassen. Sie aber trat seitlich in den Sand. So gingen wir aneinander vorüber, in der Mitte zwischen uns, unberührt, der gepflasterte Weg. Wir nickten uns zu und lächelten über unseren beidseitigen Verzicht.

Zurück auf dem Weg, im Rücken die Schritte der sich entfernenden Unbekannten, war Neugier mir Befehl, mich nach der Frau umzudrehen, von der als Eindruck ich einzig lächelnde Lippen meinte mitgenommen zu haben. Ich blieb stehen, machte zögerlich eine halbe Drehung und sah aus dem linken Augenwinkel, dass auch sie stehen geblieben war, mit derselben halben Drehung zum Fluss gewandt.

Hatten ihre Augen nicht geleuchtet als wir aneinander vorübergingen? Aber das mochte auch der Widerschein der schräg stehenden Sonne gewesen sein. Und war nicht, wie eine Schar spielender Kinder durch Nachbarsgärten, milde Röte über ihr Gesicht gehuscht? Aber das mochte auch einer gewissen Albernheit der Situation, sie im Sand, ich im bauchhohen Gebüsch, geschuldet gewesen sein.

So standen wir da, keine zehn Meter zwischen uns, Salzsäulen beide und starrten auf den Fluss. Der blitzte und strahlte mich an wie eine große Liebe. Ich schlug die Augen nieder vor so viel Licht und schickte mich zu gehen. MAXIMILIAN PROBST