frisches flimmern
: Von Kreaturen der Nacht

Gespenster

Der französische Autorenfilmer Jacques Rivette (“Die schöne Querulantin“) verschwand 1976 einfach vom Set seines gerade begonnenen Filmes mit Leslie Caron und Albert Finney. Es sollte der dritte Teil einer phantastischen Tetralogie mit dem Titel „Töchter des Feuers“ abgedreht werden. Zwei Jahre lang hielt sich der erschöpfte Nouvelle-Vague-Regisseur verborgen. In einem zweiten Anlauf realisierte er erst jetzt seinen Film und erzählt „Die Geschichte von Marie und Julien“ neu: Julien (Jerzy Radziwilowicz) ist ein allein lebender Uhrmacher. Im Traum sieht er eine Frau. Sie spricht von Erlösung und zieht ein Messer. Wenig später begegnet er dieser Frau auf der Straße. Sie lernen sich kennen. Die sinnliche Marie (Emmanuelle Béart) zieht bei Julien ein, der nun aus seiner Lethargie zu erwachen scheint. Doch Marie bleibt seltsam abwesend. Nur der Sex ist voller Leidenschaft. Daneben erpresst Julien die junge, geheimnisvolle Stoff-Händlerin Madame X (Anne Brochet), die Zertifikate für chinesische Seide fälscht. Madame X scheint Marie zu kennen. Sogar Adrienne (Bettina Kee), die verstorbene Schwester der eleganten Seiden-Händlerin, ist auf sonderbare Weise mit den Geschehnissen verbunden und wandelt als Gespenst umher. Als Marie plötzlich verschwindet, macht sich Julien auf die Suche und entdeckt ihr tragisches Geheimnis. Auf seine eigene Art flechtet Jacques Rivette aus einzelnen Erzählsträngen eine übersinnliche, erotische Liebesgeschichte. Viele Geheimnisse bleiben ungelöst. Es entsteht eine mystische Atmosphäre. Die Grenze zwischen materieller Welt und Totenreich wird aufgehoben. Im Fantasyfilm wird der Tod überwunden. Alle vier Teile des ursprünglichen Projekts basieren auf mythischen Themen.

Monster

Sie sind reich, berühmt und reif für den Therapeuten. Das übliche Prominenten-Leiden, doch die Patienten gehören ausgerechnet zur überaus erfolgreichen Heavy-Metal-Band Metallica. In drei Jahren fertigten die beiden Filmemacher Joe Berlinger und Bruce Sinofsky ihre Dokumentation „Metallica: Some Kind of Monster“. In ihrem filmischen Portrait werfen sie einen ungeschönten Blick hinter die Kulissen – während der Aufnahmen für das Album „St. Anger“. Die Stimmung ist gereizt. Der Sound ist heftig. Eigentlich die übliche Rock‘n Roll-Mischung. Doch die Musikgruppe um Leadsänger James Hetfield steht kurz vor dem Zusammenbruch. Der Bassist Jason Newsted hat die Band gerade verlassen. Ein bekannter Psychotherapeut wird vom Management engagiert. Der soll helfen, die kreativen Probleme zu überwinden. Artig besuchen die zickigen Bandmitglieder die Gruppentherapie-Sitzungen von Phil Towle. Der Selbstfindungskurs hat Erfolg. Leader James Hetfield verschwand sogar für unbestimmte Zeit in einer Entzugsklinik, um seine Alkohol- und Drogenprobleme in den Griff zu kriegen. Entstanden ist ein ehrliches Psychogramm der hoch bezahlten Metaller, die mit ihren eigenen seelischen Monstern kämpfen. „Metallica: Some Kind of Monster“ ist kein Konzertfilm. Die Musik spielt eine eher nebensächliche Rolle. STEFAN ORTMANN