Proteine gegen das Jucken

Bonner Mediziner haben ein Mittel gegen die als unheilbar geltende Schuppenflechte gefunden. Das „Ei des Kolumbus“ soll es aber nicht sein, geben die Wissenschaftler zu. Die Haut der Patienten ist zu individuell, die Krankheitsursache nicht bekämpft

von HOLGER ELFES

Rund zwei Millionen Deutsche leiden unter ihr: Der Schuppenflechte oder Psoriasis (vom griechischen psora = Jucken, Kratzen). Die Regeneration der Oberhaut ist bei der Krankheit enorm beschleunigt. Dauert dies normalerweise knapp vier Wochen, ist dieser Prozess bei Psoriasis-Patienten auf vier bis sieben Tage verkürzt. Grund ist eine stark erhöhte Teilungsaktivität der so genannten Keratinozyten. Sie bilden eine Schicht, die die Oberhaut von der tiefer liegenden Lederhaut trennt. Von dieser Keimschicht wandern die alternden Zellen immer weiter nach außen und schuppen schließlich ab.

Die Krankheit verläuft schubweise. Typische Merkmale sind auffällige, scharf begrenzte rote Herde, die mit silberweißen Schuppen bedeckt sind. „Während eines Schubes glauben viele Patienten, für ihre Umgebung kaum noch zumutbar zu sein“, erklärt Zellbiologe Professor Dr. Volker Herzog von der Uni Bonn. „Manche Betroffene ziehen sich völlig zurück; Depressionen sind nicht selten.“ Das Schlimmste: Psoriasis ist im Prinzip unheilbar. Verschiedene Mittel lindern lediglich den Krankheitsverlauf und seine Symptome. Zellbiologen der Universität Bonn haben jetzt in Kooperation mit der University of Leeds in England und der Industrie möglicherweise eine neue effektive Therapie gegen die Schuppenflechte entdeckt: Eine bestimmte Gruppe so genannter Metalloproteinase-Inhibitoren kann die gesteigerte Teilungsaktivität der Oberhautzellen normalisieren. Gefährliche Nebenwirkungen konnten die Forscher zumindest in ihren Zellkulturen nicht beobachten. Eine der Substanzen, die die Oberhautzellen zur Teilung anregen, ist ein Protein, das auf den Namen „sAPPAa“ hört. Es entsteht bei der Spaltung eines größeren Eiweißes, des APP. Die Oberhautzellen produzieren ein Enzym, das APP zu sAPPa zurechtstutzt. Die Wissenschaftler haben nun diese „molekulare Schere“ blockiert. „Wir wussten, dass bestimmte Metalloproteinase-Inhibitoren dies bewirken können. Nach Zugabe dieser Substanzen beobachteten wir an Zellen von Schuppenflechte-Patienten, dass die sAPPa-Freisetzung nahezu vollständig gehemmt wurde. Dadurch ging die stark erhöhte Teilungsaktivität der Oberhautzellen schon 24 Stunden nach der Zugabe um 50 bis 60 Prozent auf normale Werte zurück“, erklärt Herzogs Mitarbeiterin Christina Siemes. „Diese Ergebnisse konnten wir an Hautpräparaten von fünf Schuppenflechte-Patienten bestätigen.“Der hemmende Effekt der Hoffnung weckenden Substanz klang innerhalb von 72 Stunden größtenteils ab. Zudem konnten die Wissenschaftler selbst bei fünffacher Wirkstoff-Konzentration keine toxischen Nebenwirkungen beobachten. So blieb unter anderem die Zahl der Hautzellen, die in das „Selbstmord-Programm“ der Zellen eintraten, konstant. Bei Fehlfunktionen können Zellen sich selbst eliminieren. Auch andere Zellfunktionen blieben ganz normal. „Die Behandlung mit den von uns untersuchten Metalloproteinase-Inhibitoren scheint eine sehr vielversprechende therapeutische Option gegen Schuppenflechte zu sein“, glaubt daher Professor Herzog, „wir haben damit aber sicherlich nicht das Ei des Columbus gefunden – jede Haut reagiert schließlich anders.“ Zudem lindern die Substanzen lediglich die Symptome und bekämpfen nicht die Ursache: Die chronische Entzündung der Haut aufgrund permanenter Angriffe durch das körpereigene Immunsystem. Die Wissenschaftler wollen ihr Verfahren nun im Tierversuch an Mäusen testen, denen sie Hautgewebe von Schuppenflechte-Patienten transplantiert haben. Die Wirkstoffe wollen sie dabei lokal in Form einer Crème verabreichen. In Kürze sind zudem erste Tests am Menschen geplant.