Peinliche Panne

Die Erfolgsbilanz von Ronald Schill in der Verbrechensbekämpfung war geschönt: Über 7.000 Straftaten in Hamburg sind durch einen Eingabefehler von PolizeibeamtInnen nicht mit in die im Sommer präsentierte Kriminalstatistik eingegangen

von ELKE SPANNER

Der neue Innensenator Dirk Nockemann (Schill-Partei) hätte sich für seinen ersten größeren Auftritt sicher einen rühmlicheren Anlass gewünscht, als erklären zu müssen, dass die im Sommer präsentierte Erfolgsbilanz seiner Behörde erheblich geschönt war: Die Zahl der im ersten Halbjahr begangenen Verbrechen hat nicht um 2,5 Prozent abgenommen, wie sein Vorgänger Ronald Schill stolz behauptet hatte, sondern ist sogar um 2,8 Prozent angestiegen. Gestern wurde bekannt, dass 7.220 registrierte Straftaten in die Halbjahres-Kriminalstatistik (PKS) nicht miteingegangen sind. Trotzdem beteuerte Nockemann, dass der rechte Senat „große Erfolge in der Verbrechensbekämpfung erzielt hat“.

Die Polizeiführung erklärte den gravierenden Fehler mit menschlichem Versagen: Bis zum Jahreswechsel hätten die rund 2.000 PolizeibeamtInnen, die mit der Erfassung der Kriminalitätsdaten beschäftigt sind, diese zur Eingabe in die PKS lediglich in den Computer eintippen und sie speichern müssen. Im Januar aber kam eine neue Funktion hinzu: Seither müssen die Daten nach ihrer Speicherung zur Weiterleitung an die PKS per Knopfdruck „freigegeben werden“. Das war zwar die einzige Neuerung, und für diese gab es zwei Merkblätter an alle PolizistInnen. Dennoch ist die „Freigabe“ in über 7.000 Fällen nicht erfolgt.

„Hinter diesem Bedienfehler steckt keine Absicht, sondern schlicht und einfach menschliches Versagen“, beteuerte Polizeipräsident Udo Nagel, der sich explizit für den Fehler entschuldigte. Der sei nicht bestimmten Personen zuzurechnen, sondern in allen Dienststellen der Stadt aufgetreten.

Aufgeflogen ist die falsche Bilanz deshalb, weil offenbar die MitarbeiterInnen einer Dienststelle ihrer eigenen Erfolgsbilanz nicht glauben wollten: Als ihnen wegen des auffälligen Rückgangs an Verbrechen in ihrem Einsatzgebiet Personal abgezogen werden sollte, regten sie eine Überprüfung der PKS an.

Bei dieser kam heraus, dass die Gewaltkriminalität nicht um 2,5 Prozent abgenommen hat, sondern gegenüber dem Vorjahr sogar um 0,7 Prozent angestiegen ist. Wohnungseinbrüche, die laut Schill um 0,3 Prozent zurückgegangen sein sollten, haben tatsächlich um 0,8 Prozent zugelegt. Die größte Masse der vergessenen Straftaten machen Diebstähle aus: Es wurden rund 4.000 Diebstähle mehr begangen, als von Schill behauptet. Außerdem gab es rund 1.000 Verstöße mehr gegen das Ausländergesetz und rund 800 zusätzliche Drogendelikte.

Laut Nagel werden nun innerhalb der Polizei „Kritikgespräche“ geführt. Personelle Konsequenzen wird der Vorfall keine nach sich ziehen.

Innensenator Dirk Nockemann hält trotz des Anstiegs der Verbrechen um 2,8 Prozent daran fest, dass Hamburg „das erfolgreichste Land in der Kriminalitätsbekämpfung ist“. Auch für die Zukunft, sagte er, hat er eine „sehr hohe Erwartungshaltung in Bezug auf die Qualität der Verbrechensbekämpfung“.