Mal drunter, mal drüber

Im Prozess gegen einen Kölner Antifaschisten verwickeln sich die Beamten in Widersprüche. Doch die Staatsanwaltschaft will noch nicht aufgeben

VON DIRK ECKERT

Timothi Maywood ist in Köln bestenfalls als PDS-Sprecher bekannt. Doch Staatsanwaltschaft und Polizei wissen mehr über ihn: Der 31-jährige Student soll bei einer Demonstration als „Rädelsführer“ aufgetreten sein. Er soll es alleine mit zwei bis drei Polizisten aufgenommen haben, um einen von der Polizei am Boden festgehaltenen Mitdemonstrierenden zu befreien, und dabei auch nicht vor Fußtritten gegen die Ordnungshüter zurückgeschreckt sein.

Das behaupteten jedenfalls gestern vor dem Kölner Amtsgericht Staatsanwaltschaft und zwei als Zeugen geladene Polizeibeamte in einem Verfahren gegen Maywood wegen „Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“. Zu klären war, was wirklich an jenem 2. August 2003 vorgefallen war, als die rechtsextreme Gruppe „Pro Köln“ gegen das antirassistische Grenzcamp auf den Poller Wiesen demonstrierte. Der Aufmarsch der Rechtsextremisten hatte Gegendemonstranten, unter ihnen Maywood, auf den Plan gerufen.

Bei ihren Aussagen verwickelten sich die beiden Beamten indes in Widersprüche. Mal lagen und knieten zwei bis drei Beamte auf dem Festgenommen, den Maywood angeblich befreien wollte, dann knieten sie doch wieder nur neben ihm. Die Befragung der Zeugen in Uniform gipfelte darin, dass Richter Erich Eßer einem der Beamten einen Widerspruch zwischen dem ersten Polizeibericht, dem so genannten Laufzettel, und einer seiner gerade gemachten Aussagen nachwies.

Maywoods Erinnerung an die Ereignisse war ohnehin eine gänzlich andere. Er sei der Aufforderung der Polizei, den Platz in der Nähe der Poller Wiesen widerstandslos zu räumen, nachgekommen, sagte er vor Gericht. Allerdings sei es dabei so chaotisch zugegangen, dass er den Halt verloren habe und auf einen Polizisten gefallen sei. Einen Polizisten getreten haben will Maywood aber nicht: „Das kann ich unter Eid aussagen“, beteuerte er.

Dass es chaotisch zugegangen sei an diesem Augusttag, war das Einzige, worüber sich Maywood und die Polizei gestern einig waren. Als einer der Polizisten in diesem Zusammenhang die Demonstranten als „Mob“ bezeichnete, wurde es aber auch Richter Eßer zuviel. Auch wenn es chaotisch zugegangen sei: „Das waren Mitbürger und kein Mob“, mahnte er gestreng über seine Lesebrille hinweg. Das Publikum kommentierte es mit Aufatmen.

Überhaupt war Eßer von der Anklage alles andere als überzeugt. Hatte er anfangs noch süffisant von einer „dicken Akte“ gesprochen und geäußert, „die Ermittlungen erschlagen einen ja förmlich in ihrer Intensität“, befand er nach einer Stunde Zeugenaussagen, dass die Akte doch „zu dünn“ sei. Die Staatsanwaltschaft beharrte dessen ungeachtet auf ihrer Anklage. „Was wir gehört haben, reicht aus, um zu sagen, dass der Angeklagte Widerstand geleistet hat.“

Weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren nur gegen die Zahlung einer Geldbuße von 300 Euro einstellen wollte, vertagte Eßer den Prozess auf kommende Woche. Am Mittwoch ab 10.15 Uhr werden in Raum 250 des Amtsgerichts in der Luxemburger Straße weitere Zeugen gehört. Geht es nach Maywoods Anwalt Reinecke, wird bei dem Termin auch ein von der Polizei aufgenommenes Video gezeigt. Im Januar hatte Reinecke eine Mandantin verteidigt, der vorgeworfen wurde, bei einer vergleichbaren Demonstration Eier und Farbbeutel auf Rechtsextreme geworfen zu haben. Das auf Reineckes Antrag hinzugezogene Polizeivideo bewies die Unschuld der Frau.