gottschalk sagt
: Klassensprecher ins Rathaus

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

So ist das beim Altern: Erst sind erfolgreiche Profisportler jünger als du, dann Popstars, die du bewunderst, dann die Polizisten, dann dein Zahnarzt. Man gewöhnt sich daran. Und eines Tages stehst du vor Wahlplakaten und denkst: Was sind denn das für Milchgesichter? Sind Klassensprecherwahlen so aufwändig geworden oder Lokalpolitiker so jung? Wissen die überhaupt, wie man eine ordentliche Korruption einfädelt? Können die ein Kölschfass anschlagen? Kennen die dreckige Witze? Kurz: Besitzen sie alle Kernkompetenzen für die Lokalpolitik?

Bei Martin Börschel von der SPD sehe ich da durchaus Potenzial. Er könnte mit etwas gutem Willen in den nächsten Jahren die Feistigkeit eines Norbert Rüther erreichen, und er macht einen sehr anpassungsfähigen Eindruck, was die Ausstattung mit Skrupeln und Gewissen angeht. Ich habe ihn mal dabei beobachtet, wie er vor dem Rathaus ein kurzes Fernsehinterview gegeben hat. Er wirkte so stolz und glücklich. Das „Wow, geil, ich gebe jetzt Fernsehinterviews, ich wär jetzt wohl Politiker“ war ihm förmlich auf die Stirn geschrieben. Vom Schalter der Kinderpost ohne große Umwege in den Kölner Rat: Da hat sich die aufreibende Zeit als Kassierer der Juso-Arbeitsgemeinschaft Köln-Nord doch schon ausgezahlt.

Der 30-jährige Daniel Schneiders sieht auf den Plakaten echt jünger aus. Er tritt für die FDP in Bickendorf und Ossendorf an und hat ein Faible für den ÖPNV. Damit ist der smarte BWLer vermutlich das Enfant terrible der Kölner FDP. Während die FDP stadtweit mit den Themen Sicherheit, Sauberkeit und Tempo um rechtsradikale Stimmen wirbt, fordert Schneiders bessere Bus- und Bahnverbindungen nach Bickendorf. Da ist nun wirklich nichts gegen einzuwenden. Es lebe die Linie 5! Wird es der sympathische Querdenker aus dem Wahlkreis 24 schaffen?

Die Grünen haben wieder diese Art von Plakaten, die nach Hamburger Werbeagentur aussehen. Denen sieht man richtig an, dass schicke Leute über das „look and feel“ diskutiert haben. Da looke ich einmal hin und feele: „Gähn.“ Auf den Spitzenplätzen der, statistisch gesehen, wahren Partei der Besserverdienenden tummelt sich aber noch immer die Generation Lehrerschwemme.

Im Kampf gegen Klassensprecher haben die Erfahrung.