Rührende Prämissen: eine Reihe mit frühen Kurzfilmen zu den Vereinten Nationen im Metropolis
: Die Entstehung des Empire

Manchmal verrät eine einzige Phrase alles. Stimmt was mit der Grammatik nicht, gibt auch der Sinn schnell den Geist auf. Man One Family – unter diesem Titel suchte 1946 ein 16-minütiger Film die Rassentheorien der Nazis zu widerlegen. Wissenschaftlichen Rat und eine Stimme für den Kommentar holte sich der Macher des erzieherischen Dokumentarfilms bei Dr. Julian Huxley, dem ersten Generaldirektor der UNESCO. Gegen den Film ist nichts einzuwenden, für seine Zeit wahrt er einen erstaunlichen Abstand zu biologistischen Rassismen, wenn er etwa gegen das deutsche Reinheitsgebot die anthropologische Vielgestaltigkeit einer jeden Nation ins Feld führt.

Man One Family eröffnet den dritten von insgesamt vier Abenden mit Filmen aus den Anfangsjahren der Vereinten Nationen. Das endlich bringt den Titel zum Reden: Seine enigmatische Verschränkung von Einzelnem und Gruppe verweist auf den grundlegenden Widerspruch der Vereinten Nationen zwischen Partikularismus und Universalismus, der Anerkennung nationaler Souveränität bei gleichzeitiger Verschiebung der Souveränitätsrechte auf ein supranationales Zentrum.

Nun hat es immer etwas Lächerliches, weil unnütz Staatsmännisches, in einem Organ der Öffentlichkeit über die Fehler der Vereinten Nationen zu räsonnieren. Denn außer hohen Würdenträgern wurde von der Gründung der UN an bis heute niemand gefragt, was er oder sie davon hält. Was die Filmreihe aber neben beeindruckenden Aufnahmen der europäischen Nachkriegsrealität bietet, ist erstklassiges Anschauungsmaterial für die historische Rolle der Vereinten Nationen. Michael Hardt und Antonio Negri haben in ihrem Buch Empire darauf hingewiesen, dass es gerade die Unzulänglichkeiten der UN sind, die sie so effektiv gemacht haben – für die Herausbildung einer neuen Weltordnung: des Empire.

Die effektiven Mängel der UN-Konstitution spiegeln sich auch im Ideologischen: Wer im vergangenen Monat die Auftaktveranstaltung zur Reihe besucht hat, dem dürfte die Unbeholfenheit aufgefallen sein, mit der der Kurzspielfilm Eine Frage der Zeit bei den Deutschen mit zwei Argumenten für die Akzeptanz von (bestimmten) Flüchtlingen warb. Erstens handele es sich um deutsche Brüder und Schwestern, und zweitens seien es, sollten sie auch stinken und löchrige Kleidung tragen, Menschen. Niemand ist übrigens auf die Idee gekommen, den Deutschen mit solchen Argumenten die Wiederaufnahme überlebender deutscher Juden anzutragen.

Mit offensichtlicher Begeisterung haben sich seinerzeit Filmemacher in den Dienst der Vereinten Nationen gestellt. Die boten ihrerseits finanzielle Unterstützung bei Herstellung und weltweitem Vertrieb der Aufbruchs- und Werbefilme zu Themen wie „Gesundheit“, „Flüchtlinge“, „Entstehung der UN“ oder „Bildung“. Die vier Filme, die der Abend „Wissen ist Macht“ versammelt, unter ihnen Man One Family, gehen allesamt von der rührenden Prämisse aus, dass aus einer Reihe von Kindern, die heute schlecht behandelt werden, hungern und zu wenig Schulbildung erhalten, morgen schon ein neuer Hitler hervorgehen kann. Nicht wenige der Filme sind in eine biblische Erzählung eingebettet. All das ist haarsträubend – aus heutiger Sicht.

Zwei Tage darauf lässt sich die Entstehung der Vereinten Nationen nach dem Scheitern des Völkerbunds an Bild und Ton nachvollziehen. Und nicht zuletzt erzählt die Filmreihe auch eine kleine Geschichte des Dokumentarfilms vor der Erfindung einer Kamera, die Bild und Ton synchron aufnehmen kann.

Christiane Müller-Lobeck

„Wissen ist Macht“: Sonntag, 19 Uhr; „Die frühen Jahre der Vereinten Nationen“: Dienstag, 19 Uhr; alle Filme im Metropolis