EINE ALTHERRENRIEGE BEWIRKT KEINEN LINKSRUCK IN DER DEUTSCHEN POLITIK
: Allzu rüstige Rentner

Wenn ältere Menschen sich nur schwer damit abfinden können, weniger einflussreich zu sein als in früheren Lebensabschnitten, dann ist das verständlich und oft Mitleid erregend, kann aber trotzdem ziemlich nerven. Allerdings hat im Allgemeinen darunter nur die unmittelbare Umgebung zu leiden. Die Frage, mit wem sich die Größen von gestern heute zum Rotwein verabreden, gilt üblicherweise nicht als Thema von nationaler Bedeutung. Im Falle von Oskar Lafontaine und seinen realen oder imaginierten Gesprächspartnern ist das anders. Dafür gibt es Gründe. Sie haben nichts mit den angeblich handelnden Personen zu tun.

Wer kolportiert, der flüchtige SPD-Vorsitzende habe sich mit dem früheren IG-Metall-Chef Franz Steinkühler, mit dessen Nachfolger Jürgen Peters und mit dem ehemaligen PDS-Star Gregor Gysi getroffen? Wer promotet Lafontaine? Wer wird nicht müde, die Erfolgsaussichten einer neuen Linkspartei in leuchtenden Farben zu malen? Fast ausnahmslos Medien und Leute, die wahrlich nicht im Verdacht stehen, eine solche Partei unterstützen zu wollen. Die Springer-Presse, beispielsweise. Und Sabine Christiansen. Es mag ja durchaus sein, dass die Zeit für eine gesamtdeutsche Linkspartei demnächst reif ist. Solange deren Hoffnungsträger jedoch nur aus einer abgehalfterten Altherrenriege bestehen – die den Verlust ihrer Positionen übrigens in keinem Fall ihrem unbeirrten Kampf für soziale Gerechtigkeit verdankt –, so lange wird sie allenfalls mächtig genug sein, um den Kanzler zu stürzen. Einen Linksruck in der deutschen Politik wird sie hingegen nicht bewirken können. In wessen Interesse liegt das wohl? Es ist kein Zufall, dass der Einzige, der ein Treffen mit Lafontaine sofort dementieren ließ, zugleich der Einzige in der Runde der üblichen Verdächtigen ist, der noch über reale Macht verfügt: der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters.

Er hätte sich die Mühe nicht zu machen brauchen und nicht machen sollen. Man darf Lafontaine nämlich durchaus treffen, und man darf mit ihm auch über jedes nur vorstellbare Thema reden. Alles andere wäre Altersdiskriminierung. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

BETTINA GAUS