Wald wird zu riesigem Papierberg

Die deutsche Zellstoff- und Papierindustrie investiert Milliarden in Ostdeutschland und schafft 900 Arbeitsplätze. Umweltschützer kritisieren den hohen Papierkonsum hierzulande: 230 Kilo verbraucht ein Durchschnittsbürger

VON FRANZISKA DÄHN

„Wir haben in den letzten Jahren ein Tal der Tränen durchschritten“, sagt Michael Kessener, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Papierfabriken (VDP). Doch nun gibt es für ihn Grund zur Freude: Gleich an mehreren Standorten wird kräftig investiert. Immerhin rund eine Milliarde Euro fließen in das neue Zellstoffwerk in Arneburg bei Stendal. Größter Anteilseigner ist die US-kanadische Firma Mercer International. 250 Millionen Euro Fördergelder bekamen die Investoren von der EU, vom Bund und von Sachsen-Anhalt. In Blankenstein/Thüringen besitzt Mercer bereits eine Zellstoff- und Papierfabrik. Am 8. September nimmt in Schwedt eine 330 Millionen Euro teure Papiermaschine den Betrieb auf, zwei Tage später feiert eine neue Papierfabrik in Spremberg Richtfest. 160 Millionen Euro soll das Werk der österreichischen W. Hamburger AG kosten. Insgesamt bringen die Investitionen den neuen Bundesländern rund 900 Arbeitsplätze.

Seit Jahrzehnten wurde in Deutschland kein Zellstoffwerk mehr gebaut. Im Bereich der grafischen Papiere gab es gewaltige Überkapazitäten und die wirtschaftliche Situation ermunterte die Branche nicht zu Investitionen. Nun fügt es sich gut: Die Papierpreise steigen und der leichte konjunkturelle Aufschwung könne genutzt werden, so Kessener. Außerdem gäbe es nach der EU-Osterweiterung ein großes Entwicklungspotenzial. Nach Angaben des VDP ist die Papierindustrie mit einem Umsatz von 13 Milliarden Euro und einer Jahresproduktion von 18 Millionen Tonnen bereits heute die größte Europas.

Und mit dem Werk in Arneburg verdoppeln sich nun auch die deutschen Kapazitäten für Zellstoffproduktion. Der Standort hat nach Ansicht von Forstwirt Johannes Reiter von der Universität München große Vorzüge: In der Umgebung ist selbst auf lange Sicht ausreichend Durchforstungsholz vorhanden, das sich für die Sulfattechnik in dem neuen Werk gut eignet. Absatzschwierigkeiten fürchtet der Geschäftsführer der Fabrik, Wolfram Ridder, nicht: „Der Markt wächst derzeit weltweit um jährlich vier Prozent.“

So erfreulich sich die Entwicklung auf dem Papier- und Zellstoffmarkt anhört, so beunruhigend ist sie aus Sicht der Umweltschützer. Der vor kurzem erschienene und vom Umweltbundesamt geförderte „Kritische Papierbericht 2004“ zeigt, warum: 230 Kilogramm Papier verbraucht ein Bundesbürger im Jahr. Das ist weltweit ein Spitzenwert. Durch den Einsatz neuer Techniken konnte in den letzten Jahren zwar die Umweltbelastung bei der Papier- und Zellstoffherstellung reduziert werden. Da aber zugleich der Bedarf gestiegen ist, wird der Fortschritt gleich wieder aufgefressen. Außerdem ist der Altpapiereinsatz bei der Herstellung mit nur 50 Prozent zu niedrig; obwohl Papierfasern bis zu sechsmal zum Einsatz kommen können, werden sie hierzulande nur ein- bis zweimal recycelt.

An der Herstellung des in der BRD genutzten Papiers sind oftmals mehrere Länder beteiligt. Damit vernichtet der Papierhunger hierzulande Wälder in Skandinavien, der Taiga und Indonesien. Rund 160.000 Quadratkilometer Urwald werden jährlich weltweit vernichtet – Tendenz steigend. In Deutschland dagegen werden jährlich nur 40 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen, obwohl 60 Millionen nachhaltig nutzbar wären.

Auch an den deutschen Mercer-Werken üben Umweltschützer Kritik, obwohl dort neueste Technologien zum Einsatz kommen und sie eine insgesamt positive Umweltbilanz vorweisen. Rudolf Fenner von Robin Wood moniert jedoch, dass in Blankenstein und Arneburg erstmals wieder mit Chlor gebleicht wird. Zwar würden keine Grenzwerte überschritten, „aber Mercer macht das Chlor-Verfahren wieder salonfähig“. Außerdem befürchtet er, die Firma könne auf einen Ausbau der Elbe drängen, um auf diesem Wege billiges Holz aus Schweden importieren zu können.