schlossdebatte
: Vorbild Neues Museum

Zehntausende BerlinerInnen drängten sich am Wochenende durch das Neue Museum. Die Schlange reichte zeitweise bis zum Lustgarten und zu den Linden hinunter. Ja selbst das miese Wetter sowie die brummigen Begleitkommentare des Vereins Historisches Berlin konnten der Begeisterung über David Chipperfields Wiederaufbau keinen Abbruch tun. Das alles kann man getrost als Indiz für die Architekturbegeisterung der Hauptstädter nehmen. Man erinnere sich nur an die mehr als 1,5 Millionen Besucher des im Jahr 2001 noch leeren Jüdischen Museums.

KOMMENTAR VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Man kann das positive Echo auf Chipperfields Konzept aber auch als Zustimmung zum modernen Umgang mit Geschichte deuten. Ist Chipperfields Entwurf doch schon jetzt nichts weniger als der bauliche und ästhetische Widerspruch zu der geplanten Schlossrekonstruktion von Franco Stella gegenüber.

Die Schlossfans und insbesondere die Politiker darunter interessiert dieses Bedürfnis nach modernen Visionen nicht. Vielmehr geben sie noch immer ihre eigenen Position als Spiegel des sogenannten gesunden Volksempfindens, des Wunschs nach Wiederherstellung – also Rekonstruktion – der einstmals barocken Mitte, aus. Diesen Wunsch gibt es. Es gibt jedoch auch den Wunsch, sich mit der Geschichte des Ortes, seiner Bedeutung und Zukunft auseinanderzusetzen. Und der wird mächtiger. Dank Chipperfield – und Franco Stella.

Stellas Entwurf ist geschichtslos. Er reflektiert weder, dass auf dem Schlossplatz die Zerstörung zweier Bauwerke – Barockschloss und Palast der Republik – stattgefunden hat, noch gibt er eine Antwort auf die Frage, welchen Sinn sein achitektonisches Zwitterwesen aus Disney und Moderne macht. Das ist nicht seine Schuld, er hat sich an die Vorgaben der Politik gehalten. Sie trägt die Verantwortung und wird die Quittung erhalten.